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25. Januar 2009, von Michael Schöfer
Ist das noch zeitgemäß?


Wir werden künftig sicherlich nicht alle Smart oder Dacia Logan fahren, obgleich Letzterer momentan aufgrund der günstigen Anschaffungskosten (Listenpreis 7.300 Euro) äußerst begehrt zu sein scheint. Zusammen mit der Abwrackprämie der Bundesregierung (2.500 Euro) ist er zweifellos ein attraktives Angebot. Überhaupt Abwrackprämie, man muss abwarten, ob die Euphorie, die sich derzeit bei den Autohändlern breit macht, wirklich berechtigt ist. Wer einen mindestens neun Jahre alten Wagen besitzt, wird sich nur mit Mühe ein deutsches Auto leisten können. Trotz Abwrackprämie. Der billigste VW Golf, das deutsche Massenauto schlechthin, steht schließlich mit einem Basispreis von immerhin 16.500 Euro in den Schauräumen. Das muss man sich erst leisten können, wenngleich die Händler augenblicklich hohe Rabatte gewähren. Die Besitzer eines Altautos, davon gehe ich aus, sind vermutlich nicht die solventesten Kunden. Mit anderen Worten: Die deutschen Hersteller haben das untere Preisniveau sträflich vernachlässigt.

Langsam wird klar, warum die Automobilindustrie tief in der Krise steckt. Nehmen wir beispielsweise den von der Fachpresse hochgelobten Opel Insignia. Europäischen Motorjournalisten zufolge ist er sogar das "Auto des Jahres 2009". Angeblich ein Mittelklassewagen. Möglicherweise, aber die günstigste Version kostet immer noch 22.700 Euro. In meinen Augen ein stolzer Preis. Man kann allerdings auch, je nach Ausführung, fast das Doppelte hinblättern: den Sports Tourer Cosmo mit 2.8 V6 Turbo-Motor, 6-Stufen-Automatik und Allradantrieb gibt es für 43.360 Euro. [1] Zum Vergleich: Ein verheirateter Arbeitnehmer mit 2 Kindern verdiente 2007 im Durchschnitt 27.161 Euro - brutto wohlgemerkt. [2] Wer ihn sich leisten kann, mag begeistert sein. Aber der Durchschnittsverdiener muss für ein vermeintliches Durchschnittsauto verdammt lange sparen.

Wenig begeisterungsfähig ist fraglos der Benzinverbrauch und damit die Umweltbelastung. Mit dem schwächsten Motor (85 kw/115 PS) soll der Insignia laut Herstellerangabe innerorts zwischen 10,3 und 10,5 Liter und außerorts zwischen 5,9 und 6,1 Liter auf 100 km verbrauchen. Kombiniert sind das 7,5 bis 7,7 Liter. Die CO2-Emissionen liegen mit 177 bis 182 g/km weit über der künftig von der EU geduldeten Norm von 120 g/km. Wer jedoch zum 2.8 V6 Turbo-Motor mit 191 kw/260 PS greift, verbraucht innerorts horrende 16,9 bis 17,8 Liter je 100 km. Kombiniert sind das 11,2 bis 11,8 Liter und inakzeptabel hohe CO2-Emissionen von 263 bis 277 g/km. Außerdem: Erfahrungsgemäß liegt der tatsächliche Verbrauch in der Realität häufig über den Herstellerangaben.

Dass ein Porsche Cayenne Turbo S zum Preis von 132.774 Euro innerorts 22,5 Liter auf 100 km verbraucht (kombiniert 14,9 Liter = 358 g/km CO2), ist zwar schlimm, aber wer sich einen solchen Wagen leisten kann, hat auch bestimmt das nötige Kleingeld fürs Benzin. Selbst wenn, wie im vergangenen Jahr, der Rohölpreis 146 US-Dollar pro Barrel beträgt. Aber gilt das auch für den Käufer eines Mittelklassewagens? Innerorts nicht unter 10 Liter? Das darf man mit Fug und Recht bezweifeln. (Hinweis: Die Hälfte der Autofahrten ist kürzer als sechs Kilometer, mehr als ein Viertel endet bereits nach drei Kilometern.)

Völlig unabhängig vom Preis: Der Insignia passt einfach nicht mehr in die Fahrzeuglandschaft der Zukunft, er repräsentiert lediglich die alten Denkschemata der Automobilindustrie. Wer ein bisschen umweltbewusst denkt und darüber hinaus aufs Haushaltsgeld achten muss, wird sich den Insignia wohl kaum in die Garage stellen. Die Autos, die man in 10 Jahren verkaufen wird, sehen gewiss ganz anders aus. Bloß ob es die noch gleichen Hersteller sein werden, bei denen man diese Fahrzeuge erwirbt, ist fraglich. Typisch für das Managementversagen ist ja die amerikanische Automobilindustrie, die noch viel stärker am alten Denken festgehalten hat (Stichwort: Spritfresser). Nicht zuletzt deshalb stehen mittlerweile alle drei verbliebenen amerikanischen Massenhersteller (General Motors, Ford und Chrysler) am Rande der Pleite. Ob sie überleben, ist unsicher. Falls sich nichts grundlegend ändert, droht der deutschen Automobilindustrie, Abwrackprämie hin oder her, das gleiche Schicksal. Sie hat sich nämlich viel zu lange auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht. Doch die Spielregeln haben sich inzwischen geändert. Wer weiter mitspielen will, muss sich den veränderten Rahmenbedingungen anpassen.

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[1] Preisliste, PDF-Datei mit 523 kb
[2] Bundeszentrale für politische Bildung