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09. Februar 2009, von Michael Schöfer
Reiche sitzen auf gepackten Koffern


Reichtum belastet ungemein. Vor allem die Sorge, einen Teil des zusammengerafften Vermögens wieder abgeben zu müssen, treibt vielen Superreichen den Angstschweiß auf die Stirn. Ausgelöst wird die Krise durch Worte wie "Einkommensteuer", "Vermögensteuer" oder "Erbschaftsteuer". Kein Wunder, wenn viele Begüterte unter der massiven Androhung von Steuerforderungen seitens des Finanzamtes zuhauf ins Ausland geflüchtet sind. Ganz normal seine Steuern zu zahlen ist schließlich unter der Würde eines Milliardärs. Dem müssen sich vielleicht popelige Arbeitnehmer unterziehen, aber doch nicht der Geldadel.

Wie gut, dass es die Schweiz gibt. Die Alpenrepublik mitten im Herz von Europa ist eine der letzten Fluchtburgen der Superreichen, dort verweigerte ihnen bislang keiner das dringend notwendige Mitleid. Die heimatlosen Wirtschaftsflüchtlinge werden durch das Zauberwort "Pauschalbesteuerung" angelockt. "Die Pauschalsteuer beanspruchen dürfen Ausländer, die in die Schweiz ziehen und hier nicht erwerbstätig sind. Sie werden nicht nach ihrem Einkommen und Vermögen besteuert, sondern nach den Lebenshaltungskosten. Dabei wird die Regel angewandt, dass mindestens die fünffache Jahresmiete oder der fünffache Mietwert der Liegenschaft zu versteuern ist, in welcher der Ausländer lebt." [1] 2006 zahlten in der Schweiz 4.146 Ausländer die Pauschalsteuer, deren Aufkommen belief sich auf 392 Mio. Franken (260,4 Mio. Euro) - das sind rund 95.000 Franken (63.000 Euro) pro Person. Überspitzt gesagt: Die Forderungen des Finanzamtes orientieren sich lediglich am Wert der Hundehütte. Für Superreiche natürlich das Paradies.

Doch jetzt droht ihnen die Vertreibung aus demselben: "Michael Schumacher, Johnny Hallyday, Viktor Vekselberg [ein russischer Oligarch mit einem Vermögen von über 10 Mrd. Dollar, laut Forbes zählt er zu den 100 reichsten Menschen der Welt, Anm. d. Verf.] - sie verdienen Millionen, bezahlen in der Schweiz aber nur wenig Steuern", beklagt man dort neuerdings. Hallyday soll durch die Pauschalbesteuerung ca. 4 Mio. Euro pro Jahr sparen, der Schweizer Tennisprofi Roger Federer zahle dagegen zehnmal mehr Steuern als der französische Sänger. Das sei nicht gerecht, heißt es. Folge: "Zürich schafft Steuerprivileg für reiche Ausländer ab", meldete gestern die Online-Ausgabe der NZZ. In einer Volksabstimmung sagten 52,9 Prozent Ja zu einer Volksinitiative der Alternativen Liste (AL), die die Abschaffung der Pauschalbesteuerung zum Ziel hat. "Das überraschend klare Nein des Kantons Zürich zur Pauschalbesteuerung reicher Ausländer könnte Signalwirkung für andere Kantone und den Bund haben", fürchten manche. [2]

Den Reichen treibt die erfolgreiche, aber aus ihrer Sicht fatale Volksabstimmung abermals den Angstschweiß auf die Stirn - und löst umgehend die altbekannten Fluchtreflexe aus: "Der als 'Milchbaron' bekannt gewordene Deutsche Theo Müller (...) hat kürzlich in den Medien mit dem Wegzug in den Kanton Schwyz gedroht für den Fall, dass im Kanton Zürich am 8. Februar die Pauschalbesteuerung abgeschafft würde." [3] Müller ("Müller-Milch") inszenierte bereits seinen Wegzug in die Schweiz "als Protest gegen die deutsche Erbschaftsteuer. Der Fiskalflüchtling ('Ich werde enteignet') machte geltend, er wolle verhindern, dass seine neun Kinder dereinst hunderte Millionen Euro ans Finanzamt zahlen müssten." [4] Nun muss er sich womöglich, wie viele andere Angehörige des in die Schweiz geflüchteten Geldadels, nach einem neuen Aufnahmeland umsehen, denn ob er im Kanton Schwyz wirklich sicher ist, darf bezweifelt werden. Angesichts der Finanzkrise geraten selbst traditionelle Steuerparadiese unter großen Druck, endlich die Privilegien der Multimillionäre zu stutzen.

Am Ende könnte es überall heißen: "Reiche aller Länder, verflüchtigt euch - oder zahlt wie jeder andere ordentlich eure Steuern!" Bilden die Superreichen demnächst die Luxus-Klasse der Verfemten, schutzlos den Finanzbeamten der Industriestaaten ausgeliefert, sozusagen - am oberen Ende der Pyramide - das Pendant zum mittellosen Wanderarbeiter? So weit wird es vermutlich nicht kommen. Aber wenn der Widerstand gegen ungerechtfertigte Privilegien wächst, hat das vielleicht eine heilsame Wirkung. Wir müssten beispielsweise keine milliardenschweren Konjunkturprogramme zur Sanierung von maroden Schulgebäuden auflegen, weil sie erst gar nicht in diesen jämmerlichen Zustand gekommen wären. Die Liste dessen, was jetzt getan werden soll, ist doch im Grunde eine Schande für die Politik, derartige Verfallserscheinungen überhaupt zugelassen zu haben. Die Pauschalbesteuerung gehört zu Recht abgeschafft.

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[1] NZZ-Online vom 25.01.2009
[2] NZZ-Online vom 09.02.2009
[3] NZZ-Online vom 29.01.2009
[4] manager-magazin vom 11.05.2005