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02. März 2009, von Michael Schöfer
Akzeptabler Tarifabschluss im öffentlichen Dienst


Die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder ist abgeschlossen. Die Gewerkschaften haben, gemessen am aktuellen wirtschaftlichen Umfeld, einen akzeptablen Tarifabschluss erreicht.

Und so sieht das Ergebnis aus: Die Einkommen der Beschäftigten steigen zum 1. März 2009 zunächst um einen Sockelbetrag in Höhe von 40 Euro, darauf gibt es dann ebenfalls ab 1. März 3 Prozent mehr. Am 1. März 2010 steigen die Gehälter erneut um 1,2 Prozent. Obendrein gibt es für die Monate Januar und Februar 2009 eine Einmalzahlung von 40 Euro.

Der Sockelbetrag wirkt als soziale Komponente, die unteren Entgeltgruppen profitieren somit - prozentual betrachtet - mehr als die oberen Entgeltgruppen. Natürlich kann man hier nicht alle Entgeltgruppen/Entwicklungsstufen darstellen, aber in der nachfolgenden Tabelle habe ich einige beispielhaft durchgerechnet:

Entgeltgruppe 2, Entwicklungsstufe 3
heutiges Tabellenentgelt 1.710 Euro
+ 40 Euro (Sockelbetrag) = 1.750 Euro
+ 3 % zum 01.03.2009 = 1.802,50 Euro
+ 1,2 % zum 01.03.2010 = 1.824,13 Euro
= Erhöhung um 6,7 Prozent*
Entgeltgruppe 2, Entwicklungsstufe 6
heutiges Tabellenentgelt 1.995 Euro
+ 40 Euro (Sockelbetrag) = 2.035 Euro
+ 3 % zum 01.03.2009 = 2.096,05 Euro
+ 1,2 % zum 01.03.2010 = 2.121,20 Euro
= Erhöhung um 6,3 Prozent*
Entgeltgruppe 5, Entwicklungsstufe 3
heutiges Tabellenentgelt 2.030 Euro
+ 40 Euro (Sockelbetrag) = 2.070 Euro
+ 3 % zum 01.03.2009 = 2.132,10 Euro
+ 1,2 % zum 01.03.2010 = 2.157,69 Euro
= Erhöhung um 6,3 Prozent*
Entgeltgruppe 5, Entwicklungsstufe 6
heutiges Tabellenentgelt 2.250 Euro
+ 40 Euro (Sockelbetrag) = 2.290 Euro
+ 3 % zum 01.03.2009 = 2.358,70 Euro
+ 1,2 % zum 01.03.2010 = 2.387,00 Euro
= Erhöhung um 6,1 Prozent*
Entgeltgruppe 8, Entwicklungsstufe 3
heutiges Tabellenentgelt 2.305 Euro
+ 40 Euro (Sockelbetrag) = 2.345 Euro
+ 3 % zum 01.03.2009 = 2.415,35 Euro
+ 1,2 % zum 01.03.2010 = 2.444,33 Euro
= Erhöhung um 6 Prozent*
Entgeltgruppe 8, Entwicklungsstufe 6
heutiges Tabellenentgelt 2.570 Euro
+ 40 Euro (Sockelbetrag) = 2.610 Euro
+ 3 % zum 01.03.2009 = 2.688,30 Euro
+ 1,2 % zum 01.03.2010 = 2.720,56 Euro
= Erhöhung um 5,9 Prozent*
Entgeltgruppe 12, Entwicklungsstufe 3
heutiges Tabellenentgelt 3.295 Euro
+ 40 Euro (Sockelbetrag) = 3.335 Euro
+ 3 % zum 01.03.2009 = 3.435,05 Euro
+ 1,2 % zum 01.03.2010 = 3.476,27 Euro
= Erhöhung um 5,5 Prozent*
Entgeltgruppe 12, Entwicklungsstufe 5
heutiges Tabellenentgelt 4.120 Euro
+ 40 Euro (Sockelbetrag) = 4.160 Euro
+ 3 % zum 01.03.2009 = 4.284,80 Euro
+ 1,2 % zum 01.03.2010 = 4.336,22 Euro
= Erhöhung um 5,2 Prozent*
*vom Ergebnis wegen Umwidmung der leistungsorientierten Bezahlung 1 Prozent abziehen (was man vorher bereits hatte, kann selbstverständlich nicht als "Erhöhung" gelten)

Die separat ausgewiesenen Besitzstandszulagen, die sich vom im November 2006 abgeschafften Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) ableiten, nehmen an der prozentualen Tariferhöhung teil, sie bleiben zumindest bis zum Abschluss der neuen Entgeltordnung erhalten.

Wichtige Änderungen sind außerdem:
  • Die Übergangsfrist für Bewährungsaufstiege wird bis zum 31.12.2010 verlängert. Manche, denen nach dem bisher gültigen Übergangsrecht der Aufstieg verwehrt geblieben wäre, kommen daher - wie ursprünglich unter dem BAT vorgesehen - noch in den Genuss einer Höhergruppierung.
  • Die Garantiebeträge bei Höhergruppierungen steigen entsprechend der Tariferhöhung.
  • Teilzeitbeschäftigte erhalten die Einmalzahlung gemäß ihres Arbeitszeitanteils.
  • Bei den sogenannten "Kinderbezogenen Entgeltbestandteilen" (§ 11 des Überleitungstarifvertrags) ist jetzt auch ein Sonderurlaub aufgrund von Familienpflichten und des Sonderurlaubs mit dienstlichem oder betrieblichem Interesse unschädlich. Familienpflichten in diesem Sinne liegen vor, wenn die/der Beschäftigte mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt. Das heißt, nach einer Unterbrechung wegen Sonderurlaub lebt die Besitzstandszulage wieder auf, sofern man für den Bezug derselben berechtigt ist (Kind bis 25 Jahre in Ausbildung für das Kindergeld gezahlt wird).
  • Der Tarifvertrag gilt bis zum 31.12.2010.
Die 40 Euro Sockelbetrag speisen sich je zur Hälfte aus einer originären Einkommenserhöhung und aus einer Umwidmung des bisherigen Betrags für die leistungsorientierte Bezahlung (LOB). Die leistungsorientierte Bezahlung entfällt ab dem 1. Januar 2009 komplett. Das ist aus meiner Sicht das einzige Manko des Tarifabschlusses. Was lange Zeit beklagt worden ist, nämlich dass man im öffentlichen Dienst keine Möglichkeit hat, beim Gehalt nach individueller Leistung zu differenzieren, wurde erstmals mit dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), der am 1. November 2006 in Kraft trat, realisiert - und jetzt kurzerhand wieder abgeschafft.

Das letztmals mit dem Dezember-Gehalt per Gießkannenprinzip ausgezahlte Leistungsentgelt ist zwar nicht verloren, weil es im Sockelbetrag weiterhin betragsmäßig enthalten ist, mit dem Instrument der leistungsorientierte Bezahlung (LOB) verschwindet aber jede Differnzierungsmöglichkeit. Arbeitgeber und Gewerkschaften stellten offenbar fest, wie verzwickt es ist, Leistung gerecht zu bewerten. Das schwierig zu handhabende Leistungsinstrument war, wie die Praxis bei den Kommunen gezeigt hat, viel zu arbeitsaufwendig und wurde dort weder von den Arbeitgebern noch von den Beschäftigten richtig angenommen. Dennoch hätte es meines Erachtens vom Grundsatz her eine Chance verdient gehabt.

Alles in allem ist der Tarifabschluss besser als gedacht. Im vorigen Jahr wurde der hohe Einkommenszuwachs, den Bund und Kommunen mit den Gewerkschaften vereinbarten, von den Landesbeschäftigten in den höchsten Tönen gelobt. Insgeheim träumte man von einem genauso guten Ergebnis. Da sich mittlerweile das wirtschaftliche Umfeld aufgrund der Finanzkrise dramatisch geändert hat, wurde allerdings kaum mit einem ebenso hohen Abschluss gerechnet. Zu Unrecht, wie sich nun zeigt. Die Beschäftigten der Länder liegen mit der jetzt ausgehandelten Erhöhung wieder auf dem gleichen Niveau ihrer Kolleginnen und Kollegen bei Bund und Kommunen - genaugenommen (ab 1. März 2010) sogar ein bisschen darüber.

Zum Vergleich das Tabellenentgelt der für 2009 gültigen Entgelttabelle Bund:
Entgeltgruppe 2, Entwicklungsstufe 3 = 1.812,37 Euro
(Landesbeschäftigte haben - vgl. oben - 11,76 Euro mehr)

Entgeltgruppe 5, Entwicklungsstufe 3 = 2.140,93 Euro
(Landesbeschäftigte haben - vgl. oben - 16,76 Euro mehr)

Entgeltgruppe 8, Entwicklungsstufe 3 = 2.427,10 Euro
(Landesbeschäftigte haben - vgl. oben - 17,23 Euro mehr)

Entgeltgruppe 12, Entwicklungsstufe 3 = 3.444,57 Euro
(Landesbeschäftigte haben - vgl. oben - 31,70 Euro mehr)
Wegen den unterschiedlichen Laufzeiten, der Tarifvertrag von Bund und Kommunen läuft bekanntlich bis zum 31.12.2009, ist das Ergebnis aber im nächsten Jahr je nach Ausgang der Tarifrunde nicht mehr vergleichbar.

Fazit: Die Gewerkschaften können durchaus stolz auf das Erreichte sein. Da die Inflationsrate in diesem Jahr voraussichtlich weiter sinkt, manche befürchten sogar eine Deflation (ein Prozess ständiger Preisniveausenkungen), haben die Beschäftigten der Länder zumindest 2009 reale Einkommenszuwächse. Das ist gut für die Binnenkonjunktur, weil Reallohnerhöhungen die dringend notwendige Nachfrage stärken. Die Rettungsmaßnahmen für Banken und Unternehmen müssen schließlich durch eine Stärkung der Massenkaufkraft unterfüttert werden. Fehlt es an Nachfrage, sprich an ausgabebereiten bzw. -fähigen Konsumenten, sind die Milliardenhilfen für die Wirtschaft vollkommen nutzlos. Kann man Opel wirklich retten, wenn keiner Opel-Autos kauft? Wie es scheint, hat die Politik das endlich begriffen. Anders wäre der vergleichsweise hohe Abschluss für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder kaum denkbar gewesen.