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05. Juli 2009, von Michael Schöfer
Wer steckt hinter dem Putsch in Honduras?


Viele Amerikaner haben sich nach dem 11. September 2001, den Anschlägen von New York und Washington, gefragt, warum sie im Ausland so gehasst werden. Nun, für die Antwort stehen u.a. Namen wie Haji Mohamed Suharto (Indonesien), Humberto Castelo Branco (Brasilien), Jorge Rafael Videla (Argentinien), Georgios Papadopoulos (Griechenland) oder Augusto Pinochet (Chile) - alles Putschisten, die zumindest unter stillschweigender Billigung der USA an die Macht kamen. Meist war sogar im Hintergrund die CIA der aktive Drahtzieher. Bloß zur Verhinderung des Kommunismus, versteht sich. Und das sind nur die großen, bekanntesten Länder. In vielen kleineren, größtenteils auf dem amerikanischen Kontinent gelegen, gewissermaßen im Hinterhof der Vereinigten Staaten, passierte seit jeher das Gleiche. Die Bücher darüber füllen Bibliotheken.

Die jeweiligen Militärjuntas hatten natürlich mit den viel beschworenen amerikanischen Werten wenig am Hut, zahlreiche Regimegegner wurden gefoltert und ermordet. Es war diese Diskrepanz zwischen hehrem Anspruch (Demokratie, Rechtsstaat, Beachtung der Menschenrechte) und grausamer Realität, die Amerika so unbeliebt machten. Und in jüngster Zeit hat es George W. Bush, mit dessen Namen auf ewig Schandflecke wie Guantanamo, Abu Ghuraib, Bagram und die Geheimgefängnisse der CIA verbunden bleiben, nicht anders gemacht.

Wer steckt hinter dem Putsch in Honduras? Am 28.06.2009 wurde der amtierende und frei gewählte Präsident Manuel Zelaya Rosales vom honduranischen Militär gestürzt. Vermutlich war es sein Fehler, sich von einem konservativen Kandidaten (Hauptforderung im Wahlkampf: Verdoppelung der Polizeieinheiten) zu einem gemäßigt-linken Präsidenten entwickelt zu haben. "2008 trat Honduras unter Zelayas Regierung dem von Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez gegründetem Staatenbund ALBA bei. Zelaya, bisher ein treuer US-Verbündeter, kritisierte bei dieser Gelegenheit scharf die USA und forderte einen 'sozialen oder sozialistischen Liberalismus'." [1]

Jetzt sollen wir glauben, Zelaya habe einem allein von der honduranischen Oberschicht (zwei Prozent der Bevölkerung kontrollieren 90 Prozent der Wirtschaft) angezettelten Militärputsch weichen müssen. Daran darf gezweifelt werden. Warum? Daniel Ortega (Nicaragua), Evo Morales (Bolivien), Luiz Inácio Lula da Silva (Brasilien), Michelle Bachelet (Chile), Alan García (Peru), Rafael Correa (Ecuador) und natürlich Hugo Chávez (Venezuela) - die Liste der, ungeachtet aller Schattierungen, linksgerichteten Regierungen im Hinterhof der USA wurde zuletzt immer länger. Erzfeind Kuba ist ja auch noch existent. Auf linke Regierungen (oder das, was man dafür hält) reagierte das politische Establishment der Vereinigten Staaten schon immer allergisch. Könnte es nicht sein, dass die USA, Obama hin oder her, den honduranischen Putschisten insgeheim mit Rat und Tat zur Seite standen?

Eine krude Verschwörungstheorie? Blicken wir zurück: In Klagen wurde Henry Kissinger vorgeworfen, den Befehl zur Beseitigung des verfassungstreuen Oberbefehlshabers des chilenischen Militärs, General René Schneider, gegeben zu haben, "da sich der General weigerte, den später von der US-Regierung lancierten Militärputsch zu unterstützen. Das Attentat auf Schneider war Teil von Project FUBELT, dessen Ziel die Beseitigung der demokratischen chilenischen Regierung unter Salvador Allende durch einen Militärputsch war." [2] Offiziell weist Kissinger sämtliche Vorwürfe zurück. Trotz aller gegenteiligen Behauptungen der "anti-amerikanischen Propaganda" habe die Regierung Nixon nichts "mit der Vorbereitung" des Sturzes von Allende und "den Verschwörern" zu tun gehabt, beteuert er standhaft. Es gebe "keinen Nachweis für eine amerikanische Beteiligung. (...) Die offiziellen Akten lassen außer Zweifel, dass sich die amerikanische Regierung nach Übernahme des Präsidentenamtes durch Allende nicht besonders intensiv mit Chile beschäftigte." [3] Später von US-Präsident Clinton veröffentlichte Dokumente belegen freilich das Gegenteil.

Nachzulesen u.a. bei Tim Weiner. Blitztelegramm an das CIA-Büro in Santiago de Chile, 06.10.1970: "Nehmen Sie Verbindung zu den Militärs auf und lassen Sie sie wissen, dass die Regierung der USA eine militärische Lösung anstrebt und dass sie jetzt und in Zukunft unsere Unterstützung haben. (...) Schaffen Sie zumindest eine für Putschabsichten günstige Atmosphäre. Leisten Sie einer militärischen Aktion Vorschub." Telegramm vom 16.10.1970: "Es ist unsere feste, unveränderte Strategie, Allende durch einen Putsch zu stürzen." [4] US-Präsident Richard Nixon soll 10 Mio. Dollar bewilligt haben, um in Chile politisches und wirtschaftliches Chaos zu stiften. Drei Jahre später ging die Saat auf, am 11.09.1973 putschte Augusto Pinochet.

Zurück in die Gegenwart: Ist es völlig ausgeschlossen, dass die vielen Linksregierungen in Lateinamerika das US-Establishment nervös gemacht haben? Nein, es ist sogar wahrscheinlich. Ist anzunehmen, dass die Geheimdienste der USA keinerlei verdeckte Aktionen mehr gegen Links-Regierungen unternehmen? Dieses Urteil überlasse ich dem Leser. Wir sollten uns jedenfalls nicht von der Fassade täuschen lassen. Nach außen hin verurteilt die Obama-Regierung den Putsch, so wurde etwa Honduras vorerst aus der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) ausgeschlossen und die US-Militärhilfe zurückgefahren. Außerdem legte die Weltbank Kredite im Umfang von rund 282 Mio. Euro auf Eis. Doch das folgt, wie die Geschichte lehrt, einem bekannten Muster.

Auch der Obristenputsch in Griechenland (April 1967) wurde von den USA stillschweigend unterstützt, während sich die amerikanische Regierung offiziell gegenüber den Obristen kühl und distanziert verhielt. Der US-Kongress beschloss damals ein Waffenembargo, aber es war von Anfang an eine Farce: "Den Obristen wurde alles vorenthalten, was sie als Nato-Verbündete brauchten: Panzer, Düsenjäger, Hubschrauber, Kanonen, und alles weitergeliefert, womit sie ihr Volk in Schach halten konnten: Handfeuerwaffen, Jeeps und Mannschaftswagen. Getrost konnte das Militärregime den Boykott (...) über sich ergehen lassen." [5] Überdies wurde das Waffenembargo bereits im Oktober 1968 wieder aufgehoben.

Vielleicht hat irgendjemand in den USA beschlossen, dem Anwachsen der Links-Regierungen in Lateinamerika endlich etwas entgegenzusetzen - notfalls mit Rückgriff auf längst überwunden geglaubte Maßnahmen (Militärputsche). Auszuschließen ist das nicht, wenngleich es dafür momentan noch keine Belege gibt. Aber Letztere kommen mitunter erst nach Jahrzehnten ans Licht der Öffentlichkeit, davor wird gelogen und betrogen. Das Wahlvolk ist bekanntlich naiv, lässt sich leicht täuschen und glaubt gerne den regierungsamtlichen Verlautbarungen. Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass der mächtige Tiger USA, der bis in die jüngste Vergangenheit hinein nicht vor der Anwendung der allermiesesten Methoden zurückschreckte (Folter, jahrelange Haft ohne Anklage und Urteil etc.), plötzlich zum Miezekätzchen mutierte. Das Misstrauen ist also nicht unberechtigt. Der Lack an Obama ist schließlich schon ein bisschen abgeblättert. [6] Honduras könnte daher für Barack Obama zum außenpolitischen Glaubwürdigkeitstest werden.

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[1] Wikipedia, Manuel Zelaya
[2] Wikipedia, Henry Kissinger
[3] Henry Kissinger, Memoiren 1973-1974, Teil 1, Seite 524f
[4] Tim Weiner, CIA - Die ganze Geschichte, Frankfurt am Main, 2008, Seite 415f
[5] Die Zeit vom 02.10.1970
[6] siehe Der entzauberte Obama
vom 15.05.2009