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21. Juli 2009, von Michael Schöfer
Das kennen wir nur allzu gut


Nicaraguas Präsident Daniel Ortega, dem von früheren Mitkämpfern vorgeworfen wird, er habe die Ideale der FSLN verraten, strebt jetzt ein Referendum an, das ihm eine zweite Amtszeit in Folge ermöglichen soll. Er folgt damit dem Beispiel von Hugo Chávez (Venezuela), Evo Morales (Bolivien) und Rafael Correa (Ecuador). Auch Manuel Zelaya, der kürzlich durch einen Putsch vertriebene Präsident von Honduras, wollte sich per Verfassungsänderung eine zweite Amtszeit genehmigen lassen (was den Putsch keinesfalls rechtfertigt).

Nicht ohne Grund kennen heute viele lateinamerikanische Verfassungen die Beschränkung der Amtszeit des Präsidenten auf ein oder zwei Wahlperioden, hielten doch in der Vergangenheit etliche "Caudillos" ihr Volk mitunter jahrzehntelang unter der Knute. Dass dem nun vermeintlich linke Präsidenten nacheifern, ist bezeichnend. Revolutionsrhetorik und Revolutionsromantik dienen nämlich, siehe Cuba, oft nur der Verschleierung der höchst eigensüchtigen Motive einer machtgierigen Herrschaftsclique. In den Palästen sitzen jetzt zwar andere, doch sie regieren nicht selten mit den gleichen repressiven Methoden. Dabei sollte es ursprünglich darum gehen, die Unterdrückung zu beseitigen, nicht bloß darum, die Unterdrücker auszutauschen.

Derlei Entwicklungen sind natürlich keineswegs auf die sogenannte Dritte Welt beschränkt, auch hierzulande residiert ja mittlerweile ein ehemaliger Straßenkämpfer in einer noblen Berliner Villengegend. Joschka Fischers Partei, Bündnis 90/Die Grünen, hat sich überdies seit langem vom früher favorisierten Rotationsprinzip verabschiedet. Mit anderen Worten: Das kennen wir nur allzu gut. Ideale gelten nur, solange man nicht selbst an den Fleischtöpfen sitzt.

Deshalb ist die Kontrolle der Macht von Politikern so wichtig, weil man sich nicht auf die Charakterstärke einzelner Personen verlassen darf und jeder als potenziell korrumpierbar gelten muss. Nur Machtkontrolle kann Machtmissbrauch verhindern. Ein fein austariertes System von "Checks and Balances" ist mir daher allemal lieber als großspurig hinausposaunte hehre Ziele. Genau aus diesem Grund sollte man die Bestrebungen lateinamerikanischer Präsidenten, entgegen den Geboten der Verfassung länger im Amt bleiben zu wollen, mit großer Skepsis bewerten.