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05. August 2009, von Michael Schöfer
Entscheidend sind die Unterschiede


Ein 51-jähriger pakistanischer Arbeiter hat in Oberhausen von seiner Firma die fristlose Kündigung ausgesprochen bekommen, weil er am Arbeitsplatz sein privates Handy aufgeladen hat. Schaden: 0,014 Cent. [1] Die Firma sah darin einen Straftatbestand erfüllt.

Wendelin Wiedeking, Ex-Chef der eigentlich hochprofitablen Sportwagenschmiede Porsche (der Gewinn aus dem Autogeschäft lag zuletzt bei 1,2 Mrd. Euro), hat die Firma durch den waghalsigen Übernahmeversuch von VW beinahe in den Untergang gesteuert. Schaden: Porsche drückt Presseberichten zufolge eine Schuldenlast von mindestens 14 Mrd. Euro.

Der kleine Unterschied: Wiedeking bekam seinen Abgang mit einer Abfindung in Höhe von 50 Mio. Euro versüßt (ursprünglich seien sogar 140 Mio. geplant gewesen). Und als Wiedeking auf einer Betriebsversammlung am Stammsitz in Stuttgart-Zuffenhausen verabschiedet wurde, liefen dem Miteigentümer Wolfgang Porsche Tränen der Rührung über die Wangen. Scheiden tut manchmal furchtbar weh - selbst für Arbeitgeber.

Der große Unterschied: Um per Akkuaufladung den Schaden zu verursachen, den Wiedeking angerichtet hat, müssten 100 Billionen (100.000.000.000.000) Arbeiter ihre privaten Handys in die Steckdosen ihrer Arbeitgeber stecken. Ich weiß, sinnlose Zahlenspielereien. Aber sie verdeutlichen durchaus, welche Maßstäbe hierzulande gelten.

Fazit: Hätte man Wiedeking am Arbeitsplatz beim Aufladen des privaten Handys ertappt, wäre sein Abgang für Porsche wesentlich billiger zu haben gewesen. Zugunsten von Wiedeking gehe ich allerdings davon aus, dass er dies stets in seinem Privathaus getan hat. Denn welcher Vorstandsvorsitzende würde wegen einer Handyaufladung die fristlose Kündigung riskieren, insbesondere wenn er bereits auf der Abschussliste von Ferdinand Piëch steht? Natürlich keiner.

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[1] Süddeutsche vom 05.08.2009