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11. August 2009, von Michael Schöfer
Opel pleite? Macht nix!


Sollte Opel pleitegehen, ist das nicht besonders schlimm, denn die Opel-Arbeiter sind ja bestens abgesichert. Jeder Opel-Arbeiter erhält nämlich bei einer Mindestbeschäftigungszeit von vier Jahren ein Überbrückungsgeld in Höhe von 399.000 Euro ausgezahlt - jährlich, und das bis zum 63. Lebensjahr. Danach bekommen die Opelaner den gleichen Betrag als Rente. Unter solchen Bedingungen kann man den Verlust des Arbeitsplatzes bestimmt verschmerzen. Sind wir im Schlaraffenland oder in Utopia gelandet? Natürlich nicht, denn das ist nicht die üppige Versorgung der Opelaner, sondern die von Utz Claassen, dem ehemaligen EnBW-Chef. Der ist bekanntlich im Alter von 44 Jahren nach einer Beschäftigungszeit von nicht einmal fünf Jahren mit geradezu traumhaften Konditionen aus dem Amt geschieden. [1] Claassen war vom 1. Mai 2003 bis zum 30. September 2007 Vorstandsvorsitzender des badischen Energieversorgers, das sind ganze 53 Monate.

"Wir leben als Gesellschaft schon seit Langem über unsere Verhältnisse", schrieb Claassen vor zwei Jahren in BILD. Er meinte damit erwartungsgemäß nicht sich selbst, sondern selbstverständlich die Arbeitnehmer. Die vor kurzem vereinbarte Rentengarantie ist in seinen Augen nicht nur "verantwortungslos und fahrlässig, sondern streng genommen sogar zynisch und unanständig". Sie sei eine "Abkehr von ökonomischer Rationalität". Auch dem Mindestlohn stehen angeblich "ökonomische Wirkungszusammenhänge" entgegen, aus "ordnungspolitischer Sicht" sei er "ein Sündenfall". [2] Aber selbst hier denkt Claassen nicht an seine eigene Rentengarantie, um die er derzeit vor Gericht streitet, sondern bloß an die Rentengarantie anderer. Neuerdings kritisiert Claassen sogar die Gier der Manager. Er spricht von "Abnicken, Zigarrerauchen, Rotweintrinken" und fehlender "kritischer Diskurskultur". [3] Doch wer meint, hier fasse sich Claassen endlich an die eigene Nase, irrt gewaltig. Abermals tadelt er nur die anderen.

Was soll man eigentlich einem Durchschnittsrentner erzählen, der in Westdeutschland zur Zeit pro Monat gerade mal 990 Euro (Männer) bzw. 479 Euro (Frauen) erhält? Dass er über seine Verhältnisse lebt? Dass die versprochene Rentengarantie (die Renten dürfen niemals sinken) verantwortungslos, fahrlässig, zynisch und unanständig ist? Claassen erhält allein von EnBW 1.093 Euro - pro Tag! Was soll man dem Opel-Arbeiter erzählen, der im Falle der Insolvenz spätestens nach einem Jahr auf Sozialhilfeniveau (Hartz IV) landet und zuvor, bis auf einen geringen Restbetrag, seine Ersparnisse verbrauchen muss, bei dem dann außerdem eine Behörde über die Angemessenheit seines Autos und seiner Wohnung entscheidet? Was sagt man ihm, wenn er ein Überbrückungsgeld à la Claassen fordert? Ihm empfehlen, er solle sich mal auf geistige Gesundheit untersuchen lassen? Oder ihn gleich mit der Neiddebattenkeule totschlagen?

Schade, dass Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenbergs Sprechblasen beim Wahlvolk so gut ankommen. So bleibt das Amt des Bundeswirtschaftsministers für Utz Claassen unerreichbar. Leider, denn im Sprechblasen absondern ist er mindestens genauso gut.

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[1] Handelsblatt vom 15.09.2007
[2] Changex.de, Fatale Politisierung der Ökonomie, Zwischenruf von Utz Claassen vom 15.07.2009
[3] Die Zeit vom 06.08.2009