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01. September 2009, von Michael Schöfer
Wer Parteifreunde hat...


...braucht bekanntlich keine Feinde. Im November wurde Dieter Althaus noch mit "einem Traumergebnis von 100 Prozent (...) als Landesvorsitzender der CDU Thüringen bestätigt". [1] "122 abgegebene Stimmen, 122 Ja-Stimmen", meldete die CDU stolz. Die Union stehe geschlossen hinter Dieter Althaus, hieß es damals. Vor der für die thüringische CDU desaströsen Landtagswahl (minus 11,8 Prozent) galt Althaus als der Beste der Besten, jetzt lässt man den zum Loser mutierten Ministerpräsidenten offenbar eiskalt fallen.

Dieter Althaus lasse Teamgeist vermissen, beklagt die bisherige Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski plötzlich. "Ex-Innenminister Christian Köckert (CDU) rügte die Regierungspolitik der vergangenen fünf Jahre. Nicht ohne Grund habe die CDU vor allem in den großen Städten Stimmen eingebüßt, das 'verheerende Resultat' sei zurückzuführen auf 'schwere Versäumnisse' der CDU-Landespolitik. (...) Ein anderer CDU-Politiker kritisiert: 'Zu wenig Ideen, zu wenig Dialog.' Althaus habe viele Chancen vertan durch 'seine mangelnde Bereitschaft, sich mit anderen zu beraten'. Thüringens Junge Union forderte eine 'ordentliche Aufarbeitung' möglicher Fehler. Angesichts der Dimension der Niederlage könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, meinte JU-Chef Mario Voigt. Ein CDU-Vorstandsmitglied sagte, er könne 'jeden unserer Sargnägel einzeln aufzählen'." [2] Haben die auf dem Landesparteitag im November alle gefehlt? Und ist das ein Vorgeschmack darauf, was man in vier Wochen über Angela Merkel sagen wird? Falls die Bundestagswahl für die Union tatsächlich in die Hose geht, kann sie sich mit Sicherheit auf etwas gefasst machen. Für Bundeskanzler gilt nach der Niederlage die alte Boxerweisheit: They never come back. Merkel darf dann bestenfalls noch "elder stateswoman" spielen.

Wie gut, dass es die Grünen gibt, denn die helfen womöglich dem ebenfalls abgemeierten saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (minus 13 Prozent) an der Macht zu bleiben. Stichwort: Jamaika (Schwarz-Gelb-Grün). Auch die Sozialdemokraten bemühen sich nach Kräften. Der thüringische SPD-Chef Christoph Matschie sagte vor der Wahl über Althaus, was die CDU nun nach der Wahl über Althaus sagt. Aus der ursprünglich gewollten Ablösung des Ministerpräsidenten wird aber eventuell nichts werden. "Ist Matschie der dümmste SPD-Politiker Deutschlands?", fragt der Spiegelfechter provokant. "SPD-Spitzenkandidat Matschie hat seinen Wählern mehrfach unzweifelhaft versichert, dass er einen Ministerpräsidenten Ramelow noch nicht einmal tolerieren würde. Aus dieser selbst gewählten Isolation kommt Matschie nun auch nicht mehr raus. (...) Wie kann Christoph Matschie diesen gordischen Knoten zerschlagen? Gar nicht. Er kann Ramelow nicht ins Ministerpräsidentenamt hieven, ohne sich der Lüge überführen zu lassen." Matschie stecke daher in der "Ypsilanti-Falle", analysiert der Spiegelfechter zutreffend.

Wahrscheinlich kommt man deshalb im Saarland und in Thüringen erst nach der Bundestagswahl zu Potte, denn alles andere könnte den Parteien am 27. September das Wahlergebnis verhageln. Die von manchen als geniale Lösung verkaufte Möglichkeit, im Saarland Oskar Lafontaine zum Ministerpräsidenten zu machen und im Gegenzug in Thüringen Christoph Matschie, ist unrealistisch. Ergo: Die Wähler haben weder bei der SPD noch bei den Grünen die Gewissheit, dass mit ihnen die Ablösung der Union gelingt. Entweder flüchtet sich die SPD notfalls in die große Koalition anstatt den Politikwechsel, den sie insgeheim gar nicht will, zu realisieren. Oder die Grünen finden Gefallen an Jamaika, nachdem es in Hamburg für sie nicht allzu schlecht zu laufen scheint (Umfragen zufolge bekäme die GAL momentan zwischen 10 und 12 Prozent, gegenüber 9,6 Prozent bei der letzten Bürgerschaftswahl vor eineinhalb Jahren). Was folgt daraus? Wer gegen ein "weiter so" ist, der kann aus heutiger Sicht eigentlich nur die Linke wählen.

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[1] CDU Thüringen vom 16.11.2008
[2] Süddeutsche vom 31.08.2009