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26. September 2009, von Michael Schöfer
Krasse Fehleinschätzungen


"Die LBBW ist ein Institut mit einer sehr konservativen Risikopolitik einerseits - und einem im Vergleich zu anderen Landesbanken breit diversifizierten Geschäftsmodell andererseits. Dadurch ist die LBBW nicht in dem Ausmaß abhängig von einzelnen Geschäftsfeldern wie andere Institute. (…) Die LBBW hat ihrer konservativen Risikopolitik folgend sehr auf die Qualität der Assets in ihrer Zweckgesellschaft geachtet. (…) Ich will hier nicht über Schwierigkeiten anderer Banken spekulieren. Tatsache ist, dass die LBBW mit ihrem Geschäftsmodell eine sehr gute Entwicklung genommen hat." [1] Eine krasse Fehleinschätzung: Ende letzten Jahres brauchte die LBBW, um der Pleite zu entgehen, eine Kapitalerhöhung von 5 Mrd. Euro und eine Ausfallbürgschaft über 12,7 Mrd. Euro. Nach einem Verlust von 2,1 Mrd. Euro im vergangenen Jahr erwartet man nun für 2009 ein Minus von 2 Mrd. Die LBBW habe kein funktionierendes Geschäftsmodell mehr, heißt es heute. [2]

Das Bahnprojekt "Stuttgart 21" soll laut einer Studie, die die Gegner des Projekts im Jahr 2008 vorlegten, zweieinhalbmal so teuer werden. Statt 2,8 Mrd. würde der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs 6,9 Mrd. Euro kosten. "Die Bahn bezeichnete die Kostenberechnungen der Gutachter als 'haltlos'. Stuttgart 21 sei eines der 'am besten und umfassendsten geplanten Projekte' des Unternehmens. Der Kostenrahmen werde eingehalten." [3] "Bereits bei der ersten Durchsicht der am vergangenen Freitag veröffentlichten Auszüge des Gutachtens von Vieregg-Rössler zu angeblichen Kostensteigerungen bei den Projekten Stuttgart 21 und Neubaustrecke Wendlingen-Ulm werden teils gravierende handwerkliche Fehler deutlich", entgegnete Innenminister Heribert Rech. Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm sei eines der am besten und umfassendsten geplanten Projekte der Deutschen Bahn AG, die Aussagen über Kostensteigerungen daher haltlos. [4] Das Gutachten habe 'wesentliche handwerkliche Fehler', kritisierte auch Ministerpräsident Günther Oettinger. [5] "Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass unsere Kostenschätzung in der Umsetzung nicht eingehalten werden kann." [6]

Eine krasse Fehleinschätzung: Stuttgart 21 wird sich um mindestens 276 Millionen auf 3,076 Milliarden Euro verteuern, musste Ministerpräsident Günther Oettinger bereits einen Monat später zugeben. [7] Im November 2008 warnte sogar der Bundesrechnungshof vor Milliarden-Mehrkosten. "Das Infrastrukturvorhaben werde nicht 3,1, sondern 5,3 Milliarden Euro kosten, die weitere Strecke bis Ulm nicht zwei, sondern 3,2 Milliarden." Es folgte das übliche Leugnen: Ein Bahnsprecher wies die Berechnung der Prüfer als "nicht nachvollziehbar" zurück. Stuttgart 21 sei selbstverständlich "solide kalkuliert", versicherte er. [8] "Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) erklärte (...), er gehe trotz der Warnung des Bundesrechnungshofs davon aus, dass die Kostenberechnung für das Projekt 'tragfähig' sei." [9] Nun gibt Bahnchef Rüdiger Grube jedoch zu, der Kostenrahmen sei nur schwer einzuhalten. "'Es wird sehr schwierig, damit auszukommen'. (...) Ziel sei es jetzt, 'unter 4,5 Milliarden Euro zu bleiben'." [10] Unter 4,5 Milliarden? Abwarten. Wetten, dass dies nicht die letzte Kostenkorrektur des "solide kalkulierten" Bauprojekts war?

Günther Oettinger braucht sich darüber wirklich nicht zu wundern: "Die Popularität von Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hat einen neuen Tiefstand erreicht." Bei einer Umfrage "geben 46 Prozent der Befragten an, Oettinger für keinen guten Ministerpräsidenten zu halten". Lediglich 41 Prozent der Baden-Württemberger halten ihn für einen guten Regierungschef. [11]

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[1] Interview mit Ministerpräsident Günther H. Oettinger in der Sächsischen Zeitung vom 1. September 2007 zum Thema "Landesbanken", PDF-Datei mit 17 kb
[2] Süddeutsche vom 25.09.2009
[3] taz vom 19.07.2008
[4] Landesportal Baden-Württemberg vom 23.07.2008
[5] Stuttgarter Nachrichten online vom 23.07.2008
[6] Ad hoc news vom 22.07.2008
[7] Stuttgarter Nachrichten online vom 15.08.2008
[8] Stuttgarter Nachrichten online vom 03.11.2008
[9] Stuttgarter Nachrichten online vom 04.11.2008
[10] Eßlinger Zeitung vom 15.09.2009
[11] SWR vom 16.09.2009