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04. November 2009, von Michael Schöfer
Plan B


Der real existierende Sozialismus ist bekanntlich wegen der Planwirtschaft zusammengebrochen. Die war nämlich höchst ineffektiv und ist demzufolge an der ökonomischen Realität gescheitert. Erich Honecker hatte keinen Plan B, weshalb er am Ende als Verlierer dastand. Das Scheitern von Plan A war in seinem Konzept gar nicht vorgesehen. Und was nicht sein darf, das kann auch nicht sein, dachte er. Wie wir alle wissen, lag er damit total daneben.

Der Kapitalismus lehnt die Planwirtschaft zwar ab, das heißt aber nicht, dass hier überhaupt keine Pläne gemacht werden. Jeder Politiker verfolgt zumindest einen Plan: seine Wiederwahl. Bei Angela Merkel hat das geklappt. Auch Horst Seehofer hat sein Ziel mit Ach und Krach erreicht. Im Wahlkampf spielte u.a. die Rettung von Opel und Quelle eine bedeutsame Rolle. Quelle ist mittlerweile pleite und der Verkauf von Opel an Magna inzwischen ebenfalls gescheitert. Jetzt wird deutlich, dass ein Plan B in beiden Fällen gar nicht vorgesehen war.

Bereits im August waren die Probleme, die GM mit dem Verkauf seiner Tochter hatte, absehbar. "Hat die deutsche Politik einen Plan B?", fragte ich damals. [1] Offenbar nicht, denn die endgültige Absage aus Detroit hat die Bundesregierung auf dem falschen Fuß erwischt. "Geduld und Klarheit haben sich ausgezahlt", tönte Angela Merkel vor der Bundestagswahl. [2] Jetzt steht sie vor einem Scherbenhaufen. Lässt man nun die Opelaner im Regen stehen, immerhin ist die Wahl ja gelaufen? Wir werden sehen.

Keinen Plan B hat Regierung auch in Bezug auf die versprochenen Steuersenkungen. Die Koalitionäre kommen von ihren irrealen Forderungen ohne Gesichtsverlust kaum noch herunter. Für Steuersenkungen gibt es allerdings nicht den geringsten Spielraum. Die vorgesehenen Mindereinnahmen in Höhe von 24 Mrd. Euro würden die öffentlichen Haushalte in den Ruin treiben, und das Einhalten der Schuldenbremse könnte man abschreiben. Da die SPD ihre Oppositionsrolle erst noch finden muss, übernimmt ein Teil der Union diese Aufgabe einstweilen gleich mit. Mehrere CDU-Ministerpräsidenten rebellieren neuerdings gegen die Umsetzung des eigenen Wahlprogramms, obwohl sie es vor knapp fünf Monaten selbst beschlossen haben. Die einen nennen es Realismus, die anderen nennen es Wahlbetrug.

Wie könnte Plan B aussehen? Ob die Wirtschaft zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohne die Hilfe des Staates auskommen kann, wage ich zu bezweifeln. Dazu ist es noch zu früh. Doch anstatt Steuersenkungen zu beschließen, sollte man gezielt Steuerschecks verteilen. Von Steuersenkungen profitieren hauptsächlich die Besserverdienenden. Die, die Unterstützung am nötigsten hätten, die unteren Einkommensgruppen und die Bezieher staatlicher Transferleistungen, gehen dabei größtenteils leer aus. Außerdem landen Steuersenkungen zu einem gewissen Teil auf den Sparkonten. Steuerschecks, die man nur in den Geschäften einlösen und deren Wert man nicht aufs Sparkonto tragen kann, würden diese Probleme beseitigen.

Der Einzelhandelsumsatz ist im September 2009 gegenüber dem Vorjahresmonat real um 3,9 Prozent gesunken [3], der Einzelhandel könnte einen solchen Impuls also gut gebrauchen. Bei der Abwrackprämie hat das Ganze schließlich gut geklappt, mit lediglich fünf Mrd. Euro hat man einen wahren Neuwagenboom entfacht: In den ersten zehn Monaten wurden rund 3,3 Mio. Neuzulassungen registriert, 26 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. [4] Warum nicht abermals ein zielgenaues Konjunkturprogramm (das sich aber im Gegensatz zur Abwrackprämie keinesfalls auf eine einzige Branche konzentrieren darf)? Im Vergleich zu Steuersenkungen die wesentlich elegantere und wahrscheinlich auch kostengünstigere Lösung.

"Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf", hat Erich Honecker kurz vor dem Fall der Mauer gesagt. Stimmt, nicht einmal der Oberesel konnte an dessen Zusammenbruch etwas ändern. Frühzeitig einen Plan B haben, hätte vielleicht geholfen. Das Jahr 1968, als Alexander Dub?ek im "Prager Frühling" den "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" verwirklichen wollte, wäre der ideale Zeitpunkt gewesen. Doch 1989 war es viel zu spät. Wenn Angela Merkel ähnlich realitätsblind die Steuersenkungsversprechen umsetzt, ergeht es ihr unter Umständen ähnlich. Entweder bricht sie ihr Wahlversprechen, oder sie fährt das Gemeinwesen tatsächlich an die Wand. Die Bundeskanzlerin braucht einen Plan B - für Opel und für Deutschland.

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[1] vgl. Egoismus pur vom 25.08.2009
[2] Die Presse.com vom 10.09.2009
[3] Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 412 vom 30.10.2009
[4] Reuters vom 03.11.2009