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23. Januar 2010, von Michael Schöfer
Riesenschlamperei oder Wahlbetrug?

Die Linke erhält nun in Schleswig-Holstein ein Landtagsmandat mehr, das hat die Nachzählung der Stimmzettel im Wahlbezirk Husum III ergeben. Da die FDP hierdurch einen Sitz verliert, schrumpft die Mehrheit der schwarz-gelben Landesregierung von Peter Harry Carstensen auf eine einzige Stimme. An dieser Stelle soll nicht darüber spekuliert werden, ob die Ein-Stimmen-Mehrheit bis zum regulären Ende der Legislaturperiode ausreicht. Es geht mir vielmehr darum festzuhalten, dass die Korrektur des schleswig-holsteinischen Wahlergebnisses bei Verwendung von Wahlcomputern unmöglich gewesen wäre. Eventuell hätten sich die Computer nicht so massiv verzählt, wie die menschlichen Wahlhelfer, nachprüfbar wäre die Richtigkeit des ursprünglich gemeldeten Ergebnisses jedoch nicht. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 03.03.2009 gegen die Verwendung von elektronischen Wahlgeräten (Az: 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07) wird damit nachträglich bestätigt.

Das ist aber auch schon das einzig Positive an der Neuauszählung. Man fragt sich, wie solch krasse Fehler überhaupt passieren können. Am Wahlabend wurden im Wahlbezirk Husum III 928 Stimmzettel gezählt, die Nachzählung ergab jetzt allerdings 929 Stimmzettel. Eine Lappalie? Vielleicht. Aber dass bei der Auszählung am 27. September 32 Stimmen für die Linke unter den Tisch fielen, ist wirklich der Hammer. Die Nachzählung ergab nämlich für die Partei Oskar Lafontaines 41 anstatt lediglich 9 Zweitstimmen. [1]

Waren die Wahlhelfer am Wahlabend besoffen? Ist das Ganze bloß eine Riesenschlamperei? Oder steckt womöglich sogar Absicht dahinter? Letzteres wäre dann immerhin eine Straftat (Wahlfälschung, § 107 StGB). Natürlich passieren überall Fehler, aber gerade bei Wahlen sollte gewissenhaft gezählt werden. Offenbar wurden die entsprechenden Vorschriften grob missachtet. Die Landesverordnung über die Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag (Landeswahlordnung - LWO -) vom 17. Juli 2009 schreibt in § 54 unmissverständlich vor: "Vor dem Öffnen der Wahlurne werden alle nicht benutzten Stimmzettel vom Wahltisch entfernt. Sodann werden die Stimmzettel der Wahlurne entnommen und gezählt. Zugleich werden die Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis und die entgegengenommenen Wahlscheine gezählt."

Bereits hier hätte die Differenz zwischen der Anzahl der Stimmzettel und den Stimmabgabevermerken im Wählerverzeichnis (929 anstatt 928) auffallen müssen. Und nach § 55 zählen je zwei Mitglieder des Wahlvorstands, die von der Wahlvorsteherin oder dem Wahlvorsteher hierzu bestimmt worden sind, nacheinander die Stimmzettel und Wahlumschläge unter gegenseitiger Kontrolle und ermitteln die Zahl der für die einzelnen Wahlvorschläge abgegebenen gültigen Stimmen sowie die Zahl der ungültigen Stimmen. Werden alle Vorschriften beachtet, ist eine Manipulation nahezu ausgeschlossen. Wieso trotzdem 32 Stimmen für die Linke unberücksichtigt blieben, ist nicht nachvollziehbar. Ein Fall für den Staatsanwalt? Möglicherweise. Die Frage bedarf jedenfalls der Aufklärung.

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[1] Lübecker Nachrichten vom 23.01.2010