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08. August 2010, von Michael Schöfer
Die Angst der CDU im Ländle


In Baden-Württemberg regiert die CDU. Und das seit 1953. Ununterbrochen. Im Musterländle (Eigenwerbung: "Wir können alles. Außer Hochdeutsch.") ist die Legende weit verbreitet, man könne dem Wähler als CDU-Kandidat sogar einen Eimer präsentieren - er würde gewählt, sofern er nur schwarz angestrichen sei. Das ist zugegebenermaßen übertrieben und ein bisschen bösartig. Gleichwohl ist unbestreitbar, dass die politische Landschaft in Baden-Württemberg bislang rabenschwarz aussah, bei den letzten Landtagswahlen im Jahr 2006 eroberte die CDU 69 von insgesamt 70 Wahlkreise. [1] Doch die Zeiten ändern sich, die CDU muss derzeit nämlich mächtig zittern. Die Umfragewerte sind im Keller, nach dem heutigen Stand werden die Wählerstimmen am 27. März 2011 nicht für die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition ausreichen.

Die Gründe hierfür sind vielfältig:
  • Die Arroganz der Macht, die eine schier unbezwingbare Partei (gleich welcher Couleur) nach einer so langen Regierungszeit beinahe zwangsläufig befällt, am besten symbolisiert durch das hartnäckige Festhalten am in der Bevölkerung umstrittenen Projekt "Stuttgart 21".
  • Der gesellschaftliche Wandel, der natürlich auch an Baden-Württemberg nicht vorbeigegangen ist. Kennzeichnend hierfür ist das Erstarken der Grünen.
  • Der fehlende Rückenwind aus Berlin.
  • Eigene politische Fehler, etwa die in der Vergangenheit ständiger Kritik ausgesetzte Schulpolitik.
  • Nicht zuletzt das bescheidene Personaltableau der Regierungspartei, das kaum einen Wähler wirklich vom Hocker reißt. Dem farblosen Günther Oettinger, unter schmachvollen Umständen in die EU-Kommission fortgelobt, folgte der konservative, aber bislang ebenfalls ziemlich blasse Stefan Mappus. Konservativ sein allein reicht offenbar sogar im Ländle nicht mehr aus.
Der CDU ist angst und bange, deshalb hat die Landesregierung im Zuge der Beamtendienstrechtsreform 14 Millionen Euro für den Polizeivollzugsdienst locker gemacht. "Damit können wir rund 2.150 Beförderungen realisieren und die Zulagen für den so genannten lageorientierten Dienst um drei Millionen Euro erhöhen", verkündet Innenminister Heribert Rech stolz. [2] Und die Beförderungen sollen im Januar 2011 erfolgen, also unmittelbar vor der Landtagswahl. Das Zusammentreffen ist natürlich rein zufällig. (Achtung: Ironie!)

Was damit bezweckt werden soll, ist klar: Stimmenkauf, auch wenn das niemand offen zugibt. Die Landesbeamten bekommen noch rechtzeitig vor der Wahl - Verzeihung - Zucker in den Hintern geblasen. Für die Betroffenen ist das zweifellos positiv, doch das dicke Ende kommt bestimmt. Nach der Wahl wird die Landesregierung den Landesbediensteten zwangsläufig einen Einlauf verpassen müssen, der ihnen den ganzen Zucker aus dem Allerwertesten wieder herausspülen wird.

"Die Verschuldung des Landes einschließlich der verlagerten Verpflichtungen belief sich Ende 2009 auf 43.890 Mio. Euro (...). In den Haushaltsjahren 2010 und 2011 ist eine Nettokreditaufnahme von zusammen 4,8 Mrd. Euro vorgesehen. Nach der mittelfristigen Finanzplanung ist 2012 und 2013 mit einer weiteren Neuverschuldung zwischen 1,6 und 2,3 Mrd. Euro zu rechnen. Somit steigt die Gesamtverschuldung des Landes bis Ende 2013 voraussichtlich auf 50 bis 51 Mrd. Euro." [3] Und der größte Batzen am Landeshaushalt sind die Personalkosten, die betrugen 2009 beachtliche 39,3 Prozent der Gesamtausgaben (13,6 Mrd. von insgesamt 34,6 Mrd. Euro). [4]

Bei wem wird die Landesregierung wohl sparen, wenn sie wegen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse die Neuverschuldung bis 2020 auf Null reduzieren muss? Genau, beim Personal. Sie wird also weiter Stellen abbauen und bei der Beamtenbesoldung peu à peu abknapsen, was sie kann. Nach der Landtagswahl, versteht sich. Zuvor sollen die Landesbeamten jedoch auf den "Zucker im Hintern" erfreut reagieren, an das dicke Ende möglichst gar nicht denken und am 27. März 2011 gefälligst CDU wählen. Ob's wirklich klappt?

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[1] Der Landtag von Baden-Württemberg
[2] Innenministerium Baden-Württemberg vom 20.07.2010
[3] Landtagsdrucksache 14 / 6604 vom 15.07.2010, PDF-Datei mit 102 kb
[4] Statistisches Landesamt, Ausgaben und Einnahmen des Landes Baden-Württemberg seit 2005