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10. Januar 2011, von Michael Schöfer
Das mach' ich jetzt auch


Die öffentlich-rechtlichen Sender haben es vorgemacht, die haben nämlich eine Rundfunkgebühr für internetfähige PCs durchgesetzt. Und die Zeitungsverleger wollen es ihnen mit dem Leistungsschutzrecht nachmachen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat dieses Ansinnen sogleich mit Wohlwollen aufgenommen.

Das mach' ich jetzt auch. Ich verlange von jedem, der einen Internetzugang hat, pauschal einen Cent pro Monat. Damit bin ich konkurrenzlos billig, die Sender und Verlage werden vor Neid erblassen. Da mir aber ein Zugangs- und Gebühreneinzugssystem, ganz wie den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und den Zeitungsverlagen, viel zu teuer und zu zeitaufwendig ist, baue ich ebenfalls auf den Gesetzgeber: Ich verlange von dem einfach die Verabschiedung eines "Michael-Schöfer-Abkassiergesetzes" (MSAGes). Damit sind dann hierzulande fast drei Viertel der Haushalte gebührenpflichtig. Es könnte ja - zumindest potentiell - jemand meine Artikel lesen. Sorry, ich verbessere mich, meine HERVORRAGENDEN Artikel. Und ich bitte Sie, einen Cent pro Monat können selbst Hartz IV-Empfänger verkraften, das sind doch für Sie nur Peanuts.

Mal gespannt, wie viele Millionen da so reinkommen. Laut Statistischem Bundesamt verfügten im vergangenen Jahr 73 Prozent der privaten Haushalte über einen Internetanschluss, das sind 29 Millionen Gebührenzahler. Unternehmen bleiben von der Gebühr befreit. Keiner schädigt gerne die Wirtschaft und würgt den famosen Aufschwung gleich wieder ab. Ich käme dennoch auf monatliche Einnahmen von 290.000 Euro, macht pro Jahr alles in allem 3,48 Millionen. Okay, ich runde großzügig ab und begnüge mich mit 3 Millionen. Ein Mann, ein Wort. Lotto muss ich künftig jedenfalls nicht mehr spielen, denn das "MSAGes" ist quasi wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Es versteht sich von selbst, dass ich als Gegenleistung verspreche, pro Tag mindestens einen Artikel abzuliefern. Die dafür notwendige Zeit hätte ich bestimmt, schließlich müsste ich nicht mehr arbeiten.

Es wäre also alles geritzt, fehlt jetzt bloß noch der entscheidende gesetzgeberische Vorstoß im Bundestag. Der FDP geht es momentan ziemlich schlecht. Sagen zumindest die Umfragen, auch wenn Guido Westerwelle anderer Meinung zu sein scheint. Der machte ja kürzlich beim Dreikönigstreffen ostentativ einen auf Optimismus. Ich hab' mir Folgendes gedacht: Wenn ich denen zusichere, bei der nächsten Landtagswahl in Baden-Württemberg und bei der Bundestagswahl 2014 die Liberalen zu wählen, kommen wir vielleicht ins Geschäft. Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl: Zur Zeit liegt die FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde. Mit anderen Worten: Die brauchen meine Hilfe dringender denn je. Und was könnte denen mehr helfen, als der Lagerwechsel eines notorischen FDP-Kritikers? Sehen Sie...

Immerhin, bei den Hoteliers hat's schon einmal geklappt. Wahrscheinlich haben die versprochen, in jedem Gästezimmer ein FDP-Plakat aufzuhängen. Angesichts von satten 14,6 Prozent bei der letzten Bundestagswahl hat das offenbar glänzend funktioniert. Ganz unter uns, anders ist dieser überraschend hohe Wählerzuspruch auch nicht erklärbar. Lieber - demnächst gebührenpflichtiger - Leser, ich würde jetzt an Ihrer Stelle trotzdem nicht das hässliche Wort "Käuflichkeit" in den Mund nehmen, am besten sprechen wir lediglich von "politischer Landschaftspflege". Andernfalls könnte ich mich sogar strafbar machen (siehe StGB § 108b Abs. 2, Wählerbestechung).

Wie war nochmal gleich die Postanschrift des Thomas-Dehler-Hauses? Denen werde ich jetzt einen detaillierten Vorschlag unterbreiten. Mensch, Guido, bedenke doch: Eine Stimme mehr. Eine ganze Stimme! Nur wenn die FDP um jeden Wähler kämpft, wird sie aus dem Jammertal wieder herauskommen. Wenn ich nicht irre, waren das beim Dreikönigstreffen genau Deine Worte. Ich kann Dir da nur beipflichten.