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11. Februar 2011, von Michael Schöfer
Es gibt Grund zur Hoffnung

Endlich! Endlich ist Husni Mubarak zurückgetreten. Der Starrsinnige von Kairo hat aufgegeben, für eine Übergangszeit übernimmt das ägyptische Militär die Macht. Bei aller berechtigten Skepsis, schließlich war die Armee bislang Teil des Establishments und Nutznießer der alten Verhältnisse, könnte dieser Tag für ganz Arabien tatsächlich der Beginn einer Zeitenwende bedeuten. Wenn der Übergang zur Demokratie wirklich klappt, nützt uns das allen: den Israelis, den Amerikanern, den Europäern. Und in erster Linie natürlich den Arabern selbst. Bedenkt diese Chance!

Die übrigen arabischen Potentaten werden jetzt mächtig zittern und künftig in ständiger Angst leben. Noch mehr Angst als bisher schon. Möglicherweise können Regime wie Syrien oder Libyen den dampfenden Kessel noch einige Zeit erfolgreich vor der Explosion bewahren, doch wenn die demokratischen Experimente in Tunesien und Ägypten gelingen, strahlt das zweifellos auf sämtliche arabische Staaten aus. Insbesondere dann, wenn Ägypter und Tunesier zeigen, dass es mehr politische Alternativen gibt als bloß die, sich zwischen korrupten Autokraten und fanatischen Islamisten entscheiden zu müssen.

Wenn sich dort im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte tatsächlich eine säkulare Zivilgesellschaft herausbildet, die die Menschenrechte achtet und den verarmten Massen ökonomische Perspektiven bietet, erleben wir erneut einen historischen Wendepunkt. Nach dem Untergang des Kommunismus vor 22 Jahren steht jetzt vielleicht die Befreiung der arabischen Völker auf der Tagesordnung.

Klar, man soll nicht zu optimistisch sein, noch kann vieles schiefgehen. Aber falls die Wende gelingt, bedeutet sie einen mächtigen Schub für die Demokratie. Diktatoren könnten es in Zukunft noch schwerer haben, ihre Macht zu bewahren. Iran, China und Russland dürften sich dann ziemlich allein vorkommen, einsam schwimmend in einem Meer von Demokratien.

Viel zu viel Zuversicht? Viel zu blauäugig? Selbstverständlich werden in der nächsten Zeit Beharrungskräfte spürbar sein. Aber wer hätte 1985 den Untergang der DDR und der Sowjetunion vorausgesagt? Wer hätte in den blutigen siebziger und achtziger Jahren den Lateinamerikanern ein Ende der unsäglichen Militärdiktaturen prophezeit? Und doch ist es gelungen.

Heute haben wir allen Grund zu feiern, heute spüren wir den Atem der Weltgeschichte. Ich glaube, die meisten würden jetzt gerne auf dem Tahrir-Platz mitjubeln. Die Revolution ist allerdings mit dem Rücktritt von Mubarak noch nicht vorbei, sie hat nun erst richtig begonnen. Die längst überfällige Umgestaltung der arabischen Welt ist angebrochen. Gewiss, vor den Menschen liegt ein steiniger Weg, und es wird ihnen nichts in den Schoß fallen. Aber es ist ein Weg, den sie meistern können.

Menschen ändern sich, Gesellschaften ändern sich, die Welt ändert sich. Fortwährend. Das Leben ist einem ständigen Wandel unterworfen. Und es gibt Grund zur Hoffnung. Heute mehr als gestern.