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22. Februar 2011, von Michael Schöfer
Haltet den Dieb!


Die Verteidigungsstrategie der Sympathisanten von Karl-Theodor zu Guttenberg nähert sich immer mehr dem Motto: "Haltet den Dieb!" Der Freiherr wird zunehmend als Opfer dargestellt, dabei ist er doch der Täter. Inzwischen gibt es bei Facebook sogar eine Fansite: "Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg." Dort heißt es: "Einen guten Minister so schamlos anzugreifen ist dreist und lässt tief Blicken." Dass bei seinem Namen noch der Doktortitel auftaucht, scheint offenbar kein Versehen zu sein. Gegen den beliebten CSU-Politiker laufe eine Kampagne, sagt auch der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein. [1] Bei RP-Online spricht Chefredakteur Sven Gösmann gar von einer "Hatz" auf den Minister. [2]

Fehlt bloß noch, dass Guttenberg Barbara Zehnpfennig verklagt, deren Zeitungsartikel in der FAZ unerlaubt in seine "Dissertation" eingeflossen ist. Oder Klara Obermüller, von der er aus der Neuen Zürcher Zeitung abgekupfert hat. "Verleitung zum Plagiat" wäre eine denkbare Anschuldigung. Juristisch ist das natürlich Kokolores. Eine gefälschte Doktorarbeit ist kein Kavaliersdelikt, aber genau das wollen die Anhänger Guttenbergs daraus machen. Unverfroren versuchen sie den Spieß umzudrehen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) bagatellisiert: "Wir haben in diesem Land - und in Afghanistan - wahrlich andere Sorgen als die Frage, ob die Fußnoten einer Doktorarbeit richtig gesetzt sind." [3] Sind wirklich nur ein paar Fußnoten falsch gesetzt worden? Keineswegs. Bislang hat man in Guttenbergs "Doktorarbeit" auf 286 Seiten Plagiate gefunden, das sind 72,77 Prozent seiner Ausarbeitung (Stand: 21.02.2011, 19:30 Uhr). [4] Es stellt sich vor diesem Hintergrund vielmehr die naheliegende Frage, was in seiner "Doktorarbeit" überhaupt noch von ihm ist. Es geht daher um wesentlich mehr als bloß ein paar falsch gesetzte Fußnoten.

Stefan Mappus behauptet dagegen standhaft, Guttenberg habe "keine Doktorarbeit abgekupfert". Es gehe lediglich "um einzelne Textpassagen". Realitätssinn sieht anders aus. Aber es kommt noch besser: "Ich finde, dass Karl-Theodor zu Guttenberg die Sache in geeigneter Weise gelöst hat. Er hat sich aus freien Stücken zu einem sehr klugen Schritt entschlossen, indem er dauerhaft darauf verzichtet, den Doktortitel zu führen. Das ist aller Ehren wert." [5] Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Guttenberg verzichtet auf etwas, das ihm nach den jetzigen Erkenntnissen gar nicht zusteht, und Mappus nennt dies einen "klugen Schritt", der sogar ehrenhaft sei. Wird ein Dieb, der nach der Aufdeckung der Tat im Angesicht der Polizei "aus freien Stücken" auf das Diebesgut verzichtet, ebenfalls zum Ehrenmann erklärt? Wohl kaum. Für eine Partei, die sonst permanent unbedingte Rechtstreue predigt, eine erstaunliche Entwicklung.

Ob Guttenberg im Wahlkampf die Hallen füllt oder im Volk beliebt ist, spielt doch gar keine Rolle. Ein Plagiat bleibt trotzdem ein Plagiat. Und wer eine gefälschte Doktorarbeit vorlegt, darf nicht Minister bleiben. Der Bundesverteidigungsminister hat bei einer Trauerfeier für getöteten Soldaten "einen 'offenen und ehrlichen' Umgang mit den Gefahren des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr gefordert." [6] Doch den "offenen und ehrlichen" Umgang mit seiner "Doktorarbeit" bleibt er jetzt schuldig.

Außerdem: § 10 Abs. 1 des Soldatengesetzes fordert: "Der Vorgesetzte soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben." Und § 13 Abs. 1: "Der Soldat muss in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit sagen." § 17 Abs. 2 wiederum verlangt: Der Soldat "muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Außer Dienst hat sich der Soldat außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt." Wie will Guttenberg, in Friedenszeiten immerhin der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, von seinen Untergebenen je wieder die Einhaltung des Soldatengesetzes einfordern?

Im Januar 2010 wollte die Bundeswehr einen Zeitsoldaten aus dem Dienst entlassen, weil er in der Truppenküche angeblich sein Mittagessen nicht bezahlt hat. Er habe "das in ihn gesetzte Vertrauen (...) grob missbraucht", argumentierte sie. [7] Es ging um 2,70 Euro. Vor dem Verwaltungsgericht Koblenz ist sie damit allerdings gescheitert (Urteil vom 28.09.2010 - 2 K 339/10.KO). Entlassen wollte die Bundeswehr auch einen Unteroffizier, und zwar wegen missbräuchlicher Benutzung eines von ihm verfälschten Bahnberechtigungsausweises. Vor Gericht ist sie damit ebenfalls gescheitert. [8]

Es geht nicht darum, wie die Sache am Ende ausgegangen ist, sondern um die Absicht der Bundeswehr, geringste Verfehlungen ihrer Soldaten mit der Entfernung aus dem Dienst zu ahnden. Ist Guttenbergs abgekupferte Doktorarbeit eine Lappalie und weniger schlimm als ein nicht bezahltes Mittagessen oder ein verfälschter Bahnberechtigungsausweis? Ist sie kein grober Missbrauch des Vertrauens? Schadet sie nicht dem Ansehen der Bundeswehr? Mit anderen Worten: Gelten für den Verteidigungsminister andere Maßstäbe? Und wenn ja, warum? Weil er so beliebt ist und im Wahlkampf die Hallen füllt?

Nicht der Plagiator ist schuld, sondern die, die auf das Plagiat hinweisen? Die Schuld bei den Kritikern des Ministers zu suchen, ist eine bodenlose Frechheit. Und der Versuch wird hoffentlich scheitern.

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[1] kath.net vom 18.02.2011
[2] RP-Online vom 19.02.2011
[3] Hamburger Abendblatt vom 22.02.2011
[4] GuttenPlag Wiki
[5] Hamburger Abendblatt a.a.O.
[6] RP-Online vom 15.10.2010
[7] Wehrrecht.de
[8] OVG Koblenz, 10 A 10243/06.OVG