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25. März 2011, von Michael Schöfer
Kuriose Selbstdemontage


Will Schwarz-Gelb überhaupt Wahlen gewinnen? Angeblich ja, aber sie tun alles dafür, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Wirklich alles. Karl-Theodor zu Guttenberg, die Lichtgestalt der Union, musste gehen, weil er seine Dissertation gefälscht und die Unwahrheit gesagt hat. Angela Merkel und Stefan Mappus (beide CDU) behaupten, der GAU in Fukushima/Japan habe sie zum Umdenken veranlasst und die 180 Grad-Wende bei der Atompolitik demzufolge überhaupt nichts mit der Landtagswahl in Baden-Württemberg zu tun. Großes Indianer-Ehrenwort. Dann kommt Rainer Brüderle (FDP) daher, sagt in erlauchtem Kreise, als er sich ganz unter Seinesgleichen wähnte, die Wahrheit, nämlich dass "das Atommoratorium mehr dem Wahlkampf geschuldet sei", aber nun ist es den Parteistrategen auch wieder nicht recht.

Im BDI-Protokoll heißt es wörtlich: "Der Minister bestätigte dies (gemeint ist das Moratorium; Anm. d. Red.) und wies erläuternd darauf hin, dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational seien." [1] Und mit der Wahrheit, die ohnehin alle geahnt haben, bringt er Schwarz-Gelb fast noch mehr in Verlegenheit als der gute Karl-Theodor.

Wir erleben die kuriose Selbstdemontage des bürgerlichen Lagers: Guttenberg zu dumm zum Lügen, weil er dabei ertappt wurde. Brüderle zu dumm zum Lügen, weil er es ausgerechnet kurz vor dem Wahltag unterließ. Merkel und Mappus sind vollkommen desavouiert. Und jetzt tritt sogar BDI-Hauptgeschäftsführer Schnappauf zurück. "Ich übernehme die politische Verantwortung für die Folgen einer Indiskretion, an der ich persönlich nicht beteiligt war, um möglichen Schaden für das Verhältnis von Wirtschaft und Politik abzuwenden", heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. [2] Es ist unfassbar, wie unprofessionell Schwarz-Gelb agiert. Allerdings, mir soll es recht sein. Ich freue mich, und das nicht bloß klammheimlich.

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[1] Süddeutsche vom 25.03.2011
[2] BDI, Pressemitteilung 18/2011 vom 25. März 2011, PDF-Datei mit 35 kb