Home | Archiv | Leserbriefe | Impressum



27. März 2011, von Michael Schöfer
Schwarz-Gelb endlich abgewählt

Wow, das ist ein heftiger Schlag ins Kontor: Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis hat die CDU bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg 5,2 Prozent verloren und kommt bloß noch auf 39 Prozent. Man kann es kaum glauben: Nach dem Kabinett Reinhold Maier (25. April 1952 bis 7. Oktober 1953) wird es 58 Jahre danach erneut einen Regierungschef geben, der nicht der CDU angehört. Das Wort "Zäsur" ist also durchaus angebracht.

Die FDP büßt ebenfalls 5,4 Prozent ein und erreicht lediglich 5,3 Prozent. Das war, ausgerechnet in ihrem Stammland, äußerst knapp. Die Grünen hingegen sind mit 24,2 Prozent (+ 12,5 %) der eindeutige Wahlgewinner und sogar etwas stärker als die SPD mit 23,1 Prozent (- 2,1 %). Rechnerisch hat Rot-Grün (47,3 %, 71 Mandate) damit gegenüber Schwarz-Gelb (44,3 %, 67 Mandate) eine deutliche Mehrheit. In Stuttgart wird der nächste Ministerpräsident aller Voraussicht nach Winfried Kretschmann (Grüne) heißen.



Es gab in den letzten Wochen und Monaten wohl doch zu viel Negativschlagzeilen für Ministerpräsident Stefan Mappus und seine Südwest-CDU: Das Debakel der LBBW, die Fehlspekulation beim EnBW-Aktienkauf, der anhaltend harte Widerstand gegen "Stuttgart 21" und nicht zuletzt die völlig unglaubwürdige Wende in der Atompolitik. Jetzt ist Mappus tatsächlich weg. Endlich!

In Baden-Württemberg ist der CDU das passiert, was jeder Partei, die fast 60 Jahre an der Macht ist, unausweichlich passiert: Sie ist arrogant geworden und hat den Bezug zur Realität verloren. Der Filz im Ländle war buchstäblich mit den Händen zu greifen, nun implodieren zahlreiche Netzwerke. Die CDU hat sich ihre Regenerationsphase auf den harten Oppositionsbänken wahrlich verdient. Und die FDP? In ihrem Stammland ist sie dank Guido Westerwelle, Rainer Brüderle und der stets furchtbar schlicht argumentierenden Birgit Homburger fast an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Die Alarmglocken schrillen unüberhörbar.

Jetzt werden die Diskussionen beginnen: In der CDU und der FDP um den künftigen Kurs. Außerdem um das Personaltableau. Können sich Angela Merkel und Guido Westerwelle halten? Das ist fraglich, wenngleich sich deren Abgang mangels konkreter personeller Alternativen hinauszögern dürfte. Norbert Röttgen wäre für die Bundeskanzlerin eine Gefahr, doch für diese Lösung gibt es in der Union viel zu viel Widerstand. Schäuble? Zu alt. Ursula von der Leyen? Naja... Auch die einst stattliche Riege der CDU-Ministerpräsidenten ist ausgezehrt. Oder kehrt Roland Koch zurück?

Und die FDP? Problembär Brüderle hat sich gerade selbst zu Strecke gebracht. Der bissige Dirk Niebel ist im Grunde eine Lachnummer, Philipp Rösler wiederum beim Volk zu unbeliebt. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger steht für eine ganz andere, eher linksliberale FDP. Innerparteilich nicht mehrheitsfähig. Generalsekretär Christian Lindner ist vermutlich der kommende Mann, aber ist seine Zeit wirklich schon gekommen? Überall Fragezeichen, nichts als Fragezeichen!

Und wie geht es politisch weiter? Läuft das Atom-Moratorium tatsächlich nach drei Monaten aus, gehen die alten Reaktoren wieder ans Netz? Eigentlich, gerade nach dem enormen Stimmenzuwachs der Grünen, vollkommen undenkbar. Aber was ist bei dieser Bundesregierung schon undenkbar? Doch auch die Grünen müssen aufpassen. Im Baden-Württemberg erben sie eine prekäre Haushaltslage und das selbst durch den Wahlausgang nach wie vor ungelöste Problem "Stuttgart 21". Sie müssen jetzt zeigen, dass sie es anders machen und vor allem besser können, sonst ist die CDU in fünf Jahren zurück an der Macht. Dennoch, jetzt bloß nichts zerreden. Rot-Grün kann Baden-Württemberg dauerhaft verändern und sich hier auch künftig die Mehrheit sichern. Winfried Kretschmann und Nils Schmid standen bislang für einen ruhigen, abgeklärten Politikstil. Jetzt kommt es darauf an, diesen Politikstil in konkrete Entscheidungen zu gießen.

In Baden-Württemberg haben wir gerade eine historische Wende miterlebt. Es bleibt abzuwarten, was die Wahlsieger daraus machen. Hoffen wir das Beste.