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| Impressum 02. April 2011, von Michael Schöfer Die Süddeutsche entwickelt sich zur Nörgel-Tante Die Süddeutsche, die für gewöhnlich den Qualitätsjournalismus wie eine Monstranz vor sich herträgt, mutiert peu à peu zur hochnäsigen Nörgel-Tante. Neuerdings möchte sie nicht einmal mehr zitiert werden, stänkert unsachlich über "Stuttgart 21"-Gegner und meint, den Kabarettist Urban Priol unbedingt in den Senkel stellen zu müssen. Überdies freut sie sich unverhohlen über die Finanzprobleme des Konkurrenzblatts "Frankfurter Rundschau", die sie schon "zur Lokalzeitung" schrumpfen sieht. Da verwundert es kaum, dass die SZ den Siegeszug der Grünen in Baden-Württemberg ebenfalls mit der Giftspritze begleitet. "Wird nun der neue grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der im Wahlkampf eine grünere Automobilindustrie gefordert hat, hingehen und die Porsche-Werke von einem auf den anderen Tag schließen lassen?", lässt sie Johan Schloemann in seinem Artikel "Stunde der Heuchler" fragen. [1] "Das ist also das Lebensmodell, wenn die Grünen zur Mehrheitspartei werden: Der Mann arbeitet bei Bosch und macht irgendwelche klimaschädlichen Sachen - Bosch ist zum Beispiel der weltweit größte Hersteller von Verpackungsmaschinen für Konsumgüter -, während die Frau, die gegen Stuttgart 21 ist, im Ökosupermarkt leckeren Biokäse aus der Region und vollmundigen Biowein aus Apulien kauft, möglichst Verpackung vermeidend. Die Tochter studiert in Tübingen, demonstriert gegen Atomkraft und wird von ihrem Freund abgeholt, der praktischerweise ein Auto hat und dann mit ihr über die Autobahn rast." Irgendwelche klimaschädlichen Sachen? Bosch mag vorwiegend im Bereich der Automobilindustrie tätig sein, stellt aber auch Photovoltaikmodule und Solarkraftwerke her. Und bei der Entwicklung des Elektroautos ist Bosch sicherlich alles andere als untätig. Außerdem: Soll "der Mann" anstatt bei Bosch zu arbeiten lieber Hartz IV beantragen? Das Berufsleben, selbst das von Journalisten, zwingt bekanntlich zu Kompromissen. Ist es wirklich inkonsequent, wenn "die Frau" gegen "Stuttgart 21" ist, bloß weil "der Mann" bei Bosch arbeitet? Dieser eigentümlichen Logik kann ich nicht folgen. Darf sie denn keine eigene Meinung haben? Und wer mit dem Auto über die Autobahn fährt, darf laut Schloemann keinesfalls gegen Atomkraft sein. Warum eigentlich nicht? Was haben Atomkraftwerke respektive die Gefahr, die von ihnen ausgeht (siehe Japan), mit dem Autoverkehr zu tun? Über Lebensstile kann man durchaus streiten, doch der von der SZ im Wirtschaftsteil gepriesene Neoliberalismus dürfte einem ökologisch verträglichen Lebensstil nicht allzu nah stehen. Hier predigt die SZ bekanntlich "Wachstum, Wachstum über alles". Anders ausgedrückt: Erst vor der eigenen Haustür kehren, lieber Herr Schloemann. Übrigens: Auf welcher Rechtsgrundlage der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann "Porsche-Werke von einem auf den anderen Tag schließen lassen" könnte (von seiner diesbezüglichen Absicht ganz zu schweigen), verrät uns der Autor leider nicht. Das wäre nämlich eine hochinteressante Information gewesen. In Wirklichkeit ist dieser Satz hanebüchener Unsinn. Er zeigt zumindest: Eine fundierte juristische Ausbildung hat Schloemann offenbar nicht. Wer ernst genommen werden will, sollte besser auf billige Polemik verzichten. Und wer seinen Lesern Qualitätsjournalismus bieten möchte, hat die intellektuellen Niederungen zu meiden. Es sei denn, man gefällt sich in der Rolle der hochnäsigen Nörgel-Tante. ---------- [1] Süddeutsche vom 29.03.2011 |