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19. April 2011, von Michael Schöfer
Argumente hätten nicht geschadet


Das, was uns Götz Aly heute in seiner Kolumne "Lust an der Wende" präsentiert hat, ist - mit Verlaub - lediglich eine Ansammlung von dummen Vorurteilen. "Die Deutschen sind dafür berüchtigt, dass sie sich aus purem Sicherheitsdenken, aus Angst vor einer angeblichen Gefahr in die größten Katastrophen stürzen", schreibt der gelernte Historiker. [1] Wann ist das denn zuletzt passiert? Wann haben sich die Deutschen konkret aus Angst vor einer angeblichen Gefahr in die größte Katastrophe gestürzt? Aly wird uns doch nicht ernsthaft mit dem Schlagwort "German Angst" konfrontieren wollen, das wäre nämlich mindestens ebenso platt wie seine Kritik an der 68er-Generation. [2]

Aber es kommt noch besser: "Die grünen Wähler und Wählerinnen sind bekanntlich die größten Umweltferkel", klagt Aly an. Nun gehöre ich zum angesprochenen Personenkreis und bin demzufolge, zumindest wenn man dem Kolumnisten Glauben schenkt, ein großes Umweltferkel. Das überrascht mich allerdings, hatte ich doch angenommen, mit der Abschaffung meines Privat-Pkws (2003) und der äußerst zurückhaltenden Nutzung von Car-Sharing-Fahrzeugen meinen ökologischen Fußabdruck etwas verkleinert zu haben. Seitdem nutze ich überwiegend den ÖPNV (Job-Ticket) oder das Fahrrad. Darüber hinaus bin ich seit Januar 2008 Kunde eines reinen Ökostromanbieters (Naturstrom) und habe in dieser Zeit meinen ohnehin nicht allzu üppigen Stromverbrauch um 31 Prozent verringert (von 509 kWh auf 351 kWh). Fukushima war zu dieser Entscheidung gar nicht nötig, meinen Atomausstieg habe ich damals aus rationalen Gründen einfach selber gemacht.

Alles umsonst, denn grüne Wählerinnen und Wähler sind per se große Umweltferkel. Behauptet jedenfalls Götz Aly. Es ist bedauerlich, dass er sich mit seiner Kolumne auf das Niveau des Blattes mit den großen Buchstaben begibt. Ausgerechnet in der linksliberalen Frankfurter Rundschau! Etwas mehr Differenzierungsvermögen und ein paar echte Argumente hätten keinesfalls geschadet.

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[1] Frankfurter Rundschau vom 18.04.2011
[2] Wikipedia, Unser Kampf 1968 – ein irritierter Blick zurück