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| Impressum 13. Mai 2011, von Michael Schöfer Man wird doch wohl die Wahrheit sagen dürfen So oder so ähnlich lauten viele Urteile über Thilo Sarrazins ausländerfeindliche Äußerungen. Aber was ist die Wahrheit? Wenn Sarrazin behauptet "Die Türken erobern Deutschland", so ist zumindest das nachweislich falsch (von seiner absurden rassistischen Genetik ganz zu schweigen). Die aktuellen Zahlen lassen daran keinen Zweifel aufkommen. Im Gegenteil, sie bestätigen einen Trend. Und der Trend heißt: Es gibt in Deutschland immer weniger Türken. Seit vier Jahren (ältere Daten lagen mir nicht nicht vor) sind mehr Nichtdeutsche von hier aus in die Türkei gezogen als Nichtdeutsche von dort zugezogen sind. Der Zuwanderungsaldo aus der Türkei liegt in diesem Zeitraum mit über 22.000 deutlich im Minus. Kurz gesagt: Es wandern mehr Türken aus Deutschland aus als Türken nach Deutschland einwandern. Das ist eine ziemlich ungewöhnliche Eroberungsstrategie.
Auch die Anzahl der türkischen Staatsangehörigen geht seit Jahren kontinuierlich zurück.
Gleichzeitig sinken die Einbürgerungen von Türken - und das sogar überproportional.
Am im Jahr 2000 geänderten Staatsbürgerrecht (Optionsmodell) allein kann es also nicht liegen. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, als nehme die Attraktivität der deutschen Staatsangehörigkeit bei Türken generell stark ab. Warum auch immer. Alles schön und gut, werden Sie jetzt sagen, aber gibt es bei uns nicht deutlich mehr Menschen mit Migrationshintergrund? Das stimmt. Wie das Statistische Bundesamt mitgeteilt hat, ist die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund im Jahr 2009 erstmals auf über 16 Millionen gestiegen. [1] Davon stellen Ausländer 7,2 Millionen, Deutsche 8,8 Millionen. Zur Definition: "Als Person mit Migrationshintergrund gilt, wer eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, oder im Ausland geboren wurde und nach 1949 zugewandert ist. Oder auch wer in Deutschland geboren ist und eingebürgert wurde, oder ein Elternteil hat, das zugewandert ist, eingebürgert wurde oder eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt." [2] Unter Umständen gelten also Nachkommen der vierten Generation noch als Menschen mit Migrationshintergrund. Ob diese Definition, die fast schon einem Stigma gleichkommt, überhaupt sachgerecht ist, wage ich zu bezweifeln. Wie dem auch sei: "Gut 3,0 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund haben ihre Wurzeln in der Türkei, 2,9 Millionen in den Nachfolgstaaten der ehemaligen Sowjetunion, 1,5 Millionen in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens und knapp 1,5 Millionen in Polen", sagen die Wiesbadener Statistiker. Weitere Angaben: Italien 830.000, Griechenland 403.000, Spanien 172.000, Portugal 171.000. Mit anderen Worten: Die Türken stellen zwar unter den Menschen mit Migrationshintergrund knapp die größte Gruppe, sind aber keineswegs so dominant, wie Sarrazin gerne suggeriert. Fazit: Thilo Sarrazins Alarmismus hat mit der Realität nichts zu tun. Und man wird hierzulande doch wohl noch die Wahrheit sagen dürfen. ---------- [1] Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 248 vom 14.07.2010 [2] Statistisches Bundesamt, Begriffserläuterungen für den Bereich Sozialberichterstattung - Soziale Mindestsicherung, Migrationshintergrund Nachtrag (19.07.2011): Im Jahr 2010 wurden knapp 101.600 Ausländer eingebürgert. [3] [3] Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 255 vom 07.07.2011 |