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01. September 2011, von Michael Schöfer
Hilfe für die Banken?


"Die europäischen Banken brauchen dringend mehr Geld - und der Euro-Rettungsfonds soll es bereitstellen. Das fordert zumindest die Europäische Bankenaufsicht EBA mit Nachdruck, nachdem bereits die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, am Wochenende eine zwangsweise Rekapitalisierung der Geldhäuser angemahnt hatte. Die Behörde EBA mit Sitz in London schlug vor, dass der Euro-Rettungsfonds EFSF den Banken direkt Geld zur Verfügung stellt." [1] Nun darf man die Krise, in die sich der Finanzsektor durch eigenes Handeln gebracht hat, sicherlich nicht unterschätzen. Gleichzeitig soll sich das Spiel, dass am Ende allein der Steuerzahler für die Fahrlässigkeit der Banken bezahlt, nicht noch einmal wiederholen.

So viel haben die Großbanken den PIIGS-Staaten geliehen (Angaben in Milliarden Euro)

Griechenland
Irland
Portugal
Spanien
Italien
Summe
BBVA
0,1
0,0
0,6
53,5
3,9
58,1
Unicredit
0,6
0,1
0,1
1,9
47,4
50,1
Banco Santander
0,2
0,0
3,6
41,8
0,3
45,8
BNP Paribas
5,0
0,5
2,0
3,9
24,1
35,5
Commerzbank
3,0
0,03
1,0
3,2
10,1
17,3
Deutsche Bank
1,5
0,5
0,1
2,1
5,3
9,5
Société Générale
2,7
0,4
0,6
2,2
3,3
9,2
RBS
1,2
0,4
0,2
0,4
4,7
6,9
HSBC
0,9
0,1
0,3
0,6
3,9
5,8
Frankfurter Rundschau/Anja Kühl; Quelle: Bloomberg (FR v. 31.08.2011, Seite 2)

Die durch die Banken ausgelöste Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Schuldenquote (Staatsverschuldung in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt) vieler Staaten enorm aufgebläht. In Deutschland stieg sie zwischen 2007 und 2010 von 64,9 Prozent auf 80,0 Prozent (+ 23,3 %), in den USA von 62,2 Prozent auf 91,6 Prozent (+ 47,3 %), in Frankreich von 63,8 Prozent auf 84,3 Prozent (+ 32,1 %) und in Großbritannien von 43,9 Prozent auf 77,2 Prozent (+ 75,9 %). [2] Der Anstieg in den sogenannten PIIGS-Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien) ist zum Teil noch dramatischer:


2007
2010
Veränderung
Portugal
62,7 Prozent
83,3 Prozent
+ 32,9 %
Italien
103,6 Prozent
119,0 Prozent
+ 14,9 %
Irland
25,0 Prozent
96,1 Prozent
+ 284,4 %
Griechenland
105,1 Prozent
142,0 Prozent
+ 35,1 %
Spanien
36,1 Prozent
60,1 Prozent
+ 66,5 %

Die Zeche zahlen freilich die Bürger - hauptsächlich in Form von Kürzungen im Sozialbereich, Steuererhöhungen und Gehaltsreduzierungen. Die Banken, also die eigentlichen Verursacher, haben dagegen wenig zur Bereinigung der Krise beitragen müssen, das Spielkasino ist bis heute weitgehend von Regulierungen verschont geblieben. Das häufig angeführte Paket "Basel III" beginnt stufenweise ab 2013 zu wirken und ist erst 2019 abgeschlossen, folglich ist es für die jetzige Krise irrelevant. Außerdem sind die darin vorgesehenen Maßnahmen vollkommen unzureichend, im Wesentlichen geht es nur um verschärfte Liquiditäts- und Eigenkapitalvorschriften. Welche der "finanziellen Waffen zur Massenvernichtung" (Warren Buffett) werden denn dadurch konkret verboten? Keine!

Es ist Wahnsinn, was sich auf dem Kapitalmarkt tut: "Die reale Wirtschaft spielt in diesem System kaum noch eine Rolle. 2010 machten alle auf der Welt hergestellten Güter und Dienste, wie sie in den Bruttoinlandsprodukten der einzelnen Länder aufgeführt sind, zusammen 63 Billionen Dollar aus. Allein das Volumen der außerbörslich gehandelten Finanzderivate - das Wetten auf Entwicklungen von Wertpapieren - betrug 601 Billionen $, also fast das Zehnfache. Die Devisengeschäfte kamen gar auf ein Volumen von 955 Billionen $. (Spiegel, 34/2011) Nur 5 % dieser Devisengeschäfte drehten sich um die Finanzierung von Exporten und Importen. Über 900 Billionen wurden rein spekulativ eingesetzt. Einem realen Wirtschaftsprodukt von 63 Billionen steht also mehr als das Zwanzigfache an reinen Finanzspekulationen gegenüber." [3] Was sagte man damals, als die Finanzkrise durch die Pleite von Lehman Brothers mit voller Wucht zuschlug? Kein Finanzmarktakteur, kein Finanzprodukt und kein einzelner Finanzmarkt dürfe mehr ohne Regulierung und Aufsicht sein. Alles Propaganda, die Realität sieht ganz anders aus. Die Politik hat diesbezüglich total versagt - wegen der Kakophonie in den eigenen Reihen und der erfolgreichen Einflussnahme durch die Lobbyisten.

Wenn nun die europäischen Banken angeblich erneut die Unterstützung des Steuerzahlers brauchen, stellt sich unweigerlich die Frage, warum man die Banken, deren Existenz ohne staatliche Hilfe gefährdet ist, nicht kurzerhand verstaatlicht. Dann sind die Bürger wenigstens die Eigentümer und die Regulierung der Finanzmärkte überdies leichter durchsetzbar. Schutz brauchen die Bankkunden, nicht die Bankbesitzer. Es ist obendrein absurd, wenn die Banken einerseits staatliche Hilfe erhalten sollen, aber andererseits Anteilseigner großzügig mit Dividenden bedenken. Milliardenwerte, die man auch zur Erhöhung der Eigenkapitalausstattung hätte verwenden können. Aber die Rendite der Aktionäre geht offenbar vor. Und wenn Not am Mann ist, ruft man halt nach dem Staat. Wie einfach die Welt doch sein kann.

So viel haben die Großbanken für das Geschäftsjahr 2010 an Dividende ausgezahlt

Anzahl der Aktien
Dividende pro Aktie
Summe
Banco Bilbao Vizcaya Argentaria
4.491 Mio.
0,27 €
1,213 Mrd. €
Unicredit
19.273 Mio.
0,03 €
0,578 Mrd. €
Banco Santander
8.329 Mio.
0,60 €
4,997 Mrd. €
BNP Paribas
1.199 Mio.
2,10 €
2,518 Mrd. €
Commerzbank
1.181 Mio.
-
-
Deutsche Bank
929,5 Mio.
0,75 €
0,697 Mrd. €
Société Générale
739,8 Mio.
1,75 €
1,295 Mrd. €
Royal Bank of Scotland
57.968 Mio.
-
-
HSBC Holdings plc
17.840 Mio.*
0,26 €**
4,638 Mrd. €
Quelle: soweit nicht anders angegeben Ariva.de *Börse Stuttgart **Goyax

Letztlich werden die Anteilseigner faktisch vom Steuerzahler von jeglicher Haftung freigestellt. Der Finanzsektor ist fein raus. Und zum Dank prangert er jetzt sogar noch die Schuldenlast der Staaten an, obgleich er nur durch die massive Kreditaufnahme der öffentlichen Haushalte vor dem Untergang gerettet wurde. Die Retter werden als hemmungslose Schuldenbuckel diffamiert, die gefälligst hart zu sparen hätten. Ein Irrsinn ohnegleichen

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[1] Frankfurter Rundschau vom 31.08.2011
[2] Wikipedia, Liste der Länder nach Staatsschuldenquote
[3] Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung, PDF-Datei mit 112 KB