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06. Februar 2012, von Michael Schöfer
Einfach nur doof


Aktivisten der "Hedonistischen Internationale" haben den ehemaligen Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in einem Berliner Café "getortet": Er bekam eine Schwarzwälder Kirschtorte ins Gesicht geworfen. Der "Lügenbaron" versuche schon wieder, "sich in der politischen Landschaft zu etablieren", obgleich "nach seiner Copy- und Paste-Affäre" und der anschließenden "Flucht über den Ozean" noch kein Jahr vergangen ist. "Doch da hat er die Rechnung ohne den Konditor gemacht", schreiben die Aktivisten auf ihrer Website. Das sei erst der Anfang, drohen sie: "Wir werden jeden weiteren Rückkehr-Versuch des Herren von und zu beobachten und süß torpedieren. Und nicht nur von ihm: Die politische Klasse in Berlin, Brüssel und Washington kann schon mal das Teeservice auspacken." [1]

Der Attackierte nahm's gelassen: "Hurra, eine Tortenattacke! Ich dachte schon, ich würde in Friedrichshain verhungern. Zwei Aktivisten hatten gottlob mit mir erbarmen. Eine wunderbare Schwarzwälder Kirschtorte. Beim nächsten Mal dann gerne Käsesahne!", postete er bei Facebook. [2] Doch damit nicht genug: Zwei Tage danach kaperten Hacker die Website Guttenbergs und ernannten ihn zum "Bundeskuchenminister". [3]

Man kann zu Guttenberg stehen wie man will. Zugegeben: Als Wirtschafts- bzw. Verteidigungsminister waren seine Erfolge eher dürftig. Mehr Schein als Sein. Die Doktorarbeit des Freiherrn entpuppte sich als plumpes Plagiat, und zu alledem gesellte sich ein geradezu katastrophales Krisenmanagement (leicht durchschaubare Ausflüchte eines Ertappten). Für seine Gegner war Guttenberg lediglich ein Blender und ein eitler Pfau. Man muss Guttenberg weder gut noch sympathisch finden, kann seine politischen Ansichten durchaus verdammen, aber die Tortenaktion war ehrlich gesagt alles andere als witzig, sie war nicht einmal geistreich, sie war einfach nur doof.

Die Aktivisten der "Hedonistischen Internationale" mögen sich zwar köstlich amüsiert haben, aber sie sollten sich einmal Gedanken über die Menschenwürde machen. Bedauerlicherweise ist sie allzu häufig, etwa wenn es um Hartz IV-Empfänger geht, bloß eine Worthülse. Doch für den, der die Menschenwürde ernst nimmt, gilt sie grundsätzlich - auch in Bezug auf Guttenberg. Das heißt konkret: Politische Auseinandersetzung dürfen nicht mit Schwarzwälder Kirschtorten geführt werden. Wollten die Aktivisten selbst so behandelt werden? Ich glaube, kaum. Wer vorgibt, eine bessere Welt anzustreben, muss sich auch entsprechend verhalten. Guttenberg mag zwar ein politischer Gegner sein, dennoch bleibt er ein Mensch. Insofern ging die Aktion der "Hedonistischen Internationale" eindeutig nach hinten los und fällt auf ihre Urheber zurück. Wer so handelt, wird von keinem wirklich ernst genommen.

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[1] Hedonistische Internationale vom 02.02.2012
[2] Facebook-Site von Karl Theodor zu Guttenberg vom 02.02.2012
[3] Hamburger Abendblatt vom 06.02.2012