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15. Februar 2013, von Michael Schöfer
Leichter kann es einem die Opposition nicht machen


Nun ist sie vorbei, die liebe Fastnachtszeit, doch sorgt die CDU auch jetzt für Heiterkeit. Einen Tusch bitte! Nein, im Ernst: Wenn es eine Partei gibt, die konsequent auf die nächste Wahlniederlage hinarbeitet, dann ist es die CDU in Baden-Württemberg. Wahrscheinlich deshalb, weil sie immer noch nicht realisiert hat, dass sie im Landtag seit Mai 2011 auf der harten Oppositionsbank sitzt. Bekanntlich kommt es dort, selbstverständlich nach einer gewissen Einlernphase, vor allem auf gute Sacharbeit an. Es wäre Aufgabe der Opposition, die Regierung vorzuführen. Momentan führt die Opposition nur sich selbst vor. Und wie!

Seit Dezember 2012 weiß auch der letzte Baden-Württemberger, wer Hans-Ulrich Rülke ist: der Schreihals der FDP. Offizielle Funktion: Fraktionsvorsitzender. Wir alle kennen ja Sternstunden des Parlamentarismus - die Landtagsdebatte vom 14. Dezember 2012 war sicherlich keine, dennoch hat sie sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Rülke brüllt empört ins Mikro: "Herr Ministerpräsident, was Sie hier gemacht haben, ist eine Infamie." Und das auf eine Art und Weise, die eher an wütende Stammtischdiskussionen im Wirtshaus erinnert. Falls sich Stammtischbrüder herabgesetzt fühlen, bitte ich um Verzeihung, es mag in Wirtshäusern durchaus niveauvollere Debatten geben. Jedenfalls ist Rülke seitdem kein Unbekannter mehr, man kennt ihn inzwischen. Immerhin ein Wert an sich.

Den ersten Platz auf der Peinlichkeitsskala muss die FDP allerdings der CDU überlassen, das wird jeder Liberale neidlos anerkennen. Den jüngsten Fauxpas leistete sich der CDU-Landtagsabgeordnete Ulrich Müller. Und es wird vermutlich nicht der letzte gewesen sein. Wir erinnern uns: CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus hat in einer fulminanten, aber laut Staatsgerichtshof leider verfassungswidrigen Nacht-und-Nebel-Aktion von der Électricité de France (EdF) ein Aktienpaket des Energieversorgers EnBW erworben. Kaufpreis: 4,7 Mrd. Euro. Er umging dabei das Haushaltsrecht des Landtags, urteilten die Richter. Im Zuge dieser Affäre sind dann auch die berühmt-berüchtigten E-Mails zwischen Mappus und dem damaligen Deutschlandchef von Morgan Stanley, Dirk Notheis, bekannt geworden. Der frühere Ministerpräsident erscheint darin gewissermaßen als Marionette von Notheis. Der Landtag von Baden-Württemberg installierte zur Aufklärung des EnBW-Deals einen Untersuchungsausschuss, und der besagte Ulrich Müller bekam darin den Vorsitz.

Eigentlich fing, für Uneingeweihte, in dieser Woche alles ganz harmlos an: "Die Staatsanwaltschaft Stuttgart darf die Unterlagen und Daten verwenden, die sie bei einer Durchsuchung im Haus des CDU-Politikers beschlagnahmte. Das Landgericht Stuttgart wies eine Beschwerde von Mappus als unbegründet zurück." [1] Kleine Randnotiz, mehr nicht. Ulrich Müller kündigte daraufhin an, "er plane für kommende Woche eine nicht-öffentliche Sitzung, bei der über das weitere Vorgehen beraten werden soll". [2] Doch dann hat Müller überraschend den Vorsitz abgegeben. "Der Grund ist pikant: Er habe Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) mehrfach darüber informiert, was im Ausschuss vor sich geht." [3] Sein Pech: Das steht in den bei Mappus beschlagnahmten Unterlagen.

Grüne und SPD sprechen zu Recht von Kumpanei. Zwar hat sich Müller offenbar strafrechtlich nichts zuschulden kommen lassen, den Anfangsverdacht auf Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits verworfen, als Ausschussvorsitzender wäre er aber zur Neutralität verpflichtet gewesen. Ausgerechnet dem Hauptverantwortlichen des EnBW-Deals unter der Hand Informationen zukommen zu lassen, ist dreist. Mit Müller habe die CDU einen "Vertuschungsvorsitzenden" eingesetzt, ätzt die SPD. Und man darf gespannt sein, welche Erkenntnisse sich in den Unterlagen von Stefan Mappus noch verbergen, die Auswertung hat ja gerade erst begonnen. "Im Streit über die Ermittlungsakten steht außerdem noch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe aus: Mappus klagt auf Löschung von Sicherheitskopien seines ehemaligen Arbeitsrechners." [4] Weitere Überraschungen sind also nicht auszuschließen.

Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Peter Hauk, setzte freilich noch einen obendrauf: Müller habe seinen Fehler "sofort eingesehen" und daraus "sofort Konsequenzen gezogen". "Dafür gebührt ihm unser voller Respekt", bekundete Hauk treuherzig. Das Verhalten Müllers, vom Vorsitz zurückzutreten, sei ehrenwert, zudem habe dieser stets "für transparente und schonungslose Aufklärung" gestanden. [5] Das ist, mit Verlaub, selten dämlich. Ulrich Müller hat offenbar bloß früher als andere Kenntnis vom Inhalt der bei Mappus beschlagnahmten Unterlagen gehabt. Zunächst wollte er ja "für kommende Woche" eine nicht-öffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses einberufen. Doch dazu kam es nicht mehr, denn zwischenzeitlich muss ihm durch Akteneinsicht klar geworden sein, dass seine Position durch deren Brisanz unhaltbar wurde. Wäre er auch zurückgetreten, wenn aus den beschlagnahmten Unterlagen nichts über seine Infos an Mappus hervorgegangen wäre? Wohl kaum. Ehrenwert ist etwas ganz anderes. Ehrenwert ist, als Ausschussvorsitzender tatsächlich neutral zu sein, und nicht erst zurückzutreten, wenn man bei etwas ertappt wurde.

Die CDU tut derzeit alles, um beim Wahlvolk den Eindruck, den sie dort in den letzten Jahren hinterlassen hat, zu vertiefen. Wenn man den oft verwendeten Terminus "Nachhaltigkeit" benutzen darf, dann mit Sicherheit hier. Filz und Arroganz der Macht - dafür stand die Südwest-CDU. Und offenkundig steht sie dafür noch immer. Das Vorhaben, in ihrem einstigen Stammland auch weiterhin in der Opposition zu bleiben, wird der CDU so zweifellos gelingen. Es ist davon auszugehen, dass die Empörung bei Grün-Rot nur gespielt ist, insgeheim wird man sich vermutlich über die äußerst schwache Vorstellung von Schwarz-Gelb die Hände reiben. Leichter kann es einem die Opposition ja gar nicht machen.

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[1] Südkurier vom 12.02.2013
[2] Focus-Online vom 13.02.2013
[3] SWR-Nachrichten vom 14.02.2013
[4] Stuttgarter Zeitung vom 16.11.2012
[5] Stuttgarter Zeitung vom 14.02.2013