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16. Februar 2013, von Michael Schöfer
Wie kann man sich nur so demontieren?


Die Affäre Mappus wird immer grotesker: Aus den bei ihm zu Hause beschlagnahmten Unterlagen, die nun dem EnBW-Untersuchungsausschuss des Landtages zur Verfügung stehen, sind SMS und E-Mails zwischen Stefan Mappus und seinem Freund Dirk Notheis an die Öffentlichkeit gelangt. "Notheis schreibt, er habe die Befragung [vor dem Untersuchungsausschuss] 'zum Kotzen' gefunden', vor allem das hartnäckige Bohren der eigenen CDU-Leute. Kommentar von Mappus: 'Finde ich auch'. Sein Fazit: Er habe 'gute Lust, aus diesem Scheiß-Verein auszutreten'." [1] Notheis bestreitet jedoch diese Formulierung, sie gehöre nicht zu seinem Sprachgebrauch. Die Echtheit der SMS und E-Mails muss sich also erst noch erweisen.

Allerdings: In den bereits 2012 bekannt gewordenen E-Mails nennt Notheis Bundeskanzlerin Angela Merkel despektierlich "Mutti". Und Mappus könne "Angela mit seinen Truppen töten", da die Landes-CDU auf dem Bundesparteitag drei von zehn Delegierten stelle. [2] Es handelte sich, wohlgemerkt, um die Korrespondenz zwischen dem damaligen Ministerpräsidenten und dem früheren Deutschlandchef von Morgan Stanley, nicht um flapsige Facebook-Postings spätpubertierender Schüler. Man wüsste daher gerne, was bei Notheis zum üblichen Sprachgebrauch gehört.

Mappus ist über die Veröffentlichung seiner Korrespondenz empört. Presseberichten zufolge forderten die Anwälte von Stefan Mappus "die Staatsanwaltschaft auf, Indiskretionen aus dem EnBW-Ausschuss zu verfolgen". Es sei "nun Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die Täter aus dem Bereich des Untersuchungsausschusses zu ermitteln und die Geltung des Strafrechts auch im Bereich des Untersuchungsausschusses durchzusetzen." [3] Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ausgerechnet derjenige, der sich vom inzwischen zurückgetretenen Ausschussvorsitzenden Ulrich Müller (CDU) mit Informationen versorgen ließ, beschwert sich jetzt über Indiskretionen und ruft nach dem Strafrecht. Und wenn tatsächlich stimmt, was die Badische Zeitung erfahren haben will, nämlich dass Mappus, der Hauptverantwortliche des EnBW-Deals, auch mit CDU-Obmann Volker Schebesta in Kontakt stand und diesen sogar "per SMS darum gebeten habe, in den Ausschusssitzungen bestimmte Fragen an andere Zeugen zu stellen", werden die Abgründe immer tiefer. Darüber hinaus: Erkennt Mappus damit implizit die Echtheit der bekanntgewordenen Informationen an? Anders macht seine Intervention eigentlich keinen Sinn.

"Mandatsträger in einem Rechtsstaat dürfen nie gegen geltendes Recht verstoßen." Dieser Satz stammt nicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Auch nicht von Finanzminister Nils Schmid (SPD). Obgleich die beiden das bestimmt sofort unterschreiben würden. Nein, dieser Satz stammt von Stefan Mappus. [4] Noch ein paar schöne Worte des ehemaligen Ministerpräsidenten: "Wir alle - ich betone alle - sind an Recht und Gesetz gebunden. Das ist ein essenzieller Bestandteil unserer Demokratie. Und keiner steht in unserem Land über dem Recht. Wir alle stehen unter ihm." [5] Bloß zur Erinnerung: Der EnBW-Deal war laut Staatsgerichtshof verfassungswidrig, weil Mappus dabei das Haushaltsrecht des Landtages umging. Es macht ehrlich gesagt nicht den Eindruck, als habe Mappus den Wesensgehalt seiner eigenen Worte wirklich verstanden. Bis heute nicht. Unfassbar: Wie kann man sich nur so demontieren?

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[1] Schwarzwälder Bote vom 15.02.2013
[2] Süddeutsche vom 25.06.2012
[3] Badische Zeitung vom 16.02.2013
[4] Pforzheimer Zeitung vom 27.02.2010
[5] Staatsministerium Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 01.10.2010, Stellungnahme von Ministerpräsident Stefan Mappus zu den Geschehnissen im Stuttgarter Schlossgarten um Stuttgart 21