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24. April 2013, von Michael Schöfer
Steuerhinterzieher ausbürgern?


Ja, auch mich regt die Selbstanzeige von Uli Hoeneß, mit der er Steuerhinterziehung zugibt, mächtig auf. Ja, auch ich bin dafür, dass das strafbefreiende Mittel der Selbstanzeige, das in keinem anderen Deliktsbereich existiert, möglichst rasch eliminiert wird. Außerdem lehne ich Amnestien für Steuerstraftäter kategorisch ab. Ja, auch ich bin für das Austrocknen der sogenannten Steueroasen. Und ja, selbstverständlich bin auch ich für die rigorose Verfolgung von Steuerhinterziehern - notfalls mithilfe des Ankaufs von Steuer-CDs.

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Und wenn sich jemand, wie der Präsident von Bayern München als Heuchler entpuppt, ist das für viele verständlicherweise menschlich enttäuschend. Die geschäftlichen Qualitäten von Uli Hoeneß sind unbestritten. Als Mensch ist er mir, nun ja, ziemlich gleichgültig. Vielleicht liegt das daran, dass ich mich für Fußball im Allgemeinen und Bayern München im Besonderen nur mäßig interessiere. Insofern bin ich diesbezüglich emotional völlig unvorbelastet.

So schlimm das asoziale Verhalten von Steuerhinterziehern ist, sollte man trotzdem die Kirche im Dorf lassen. Betrug an der Allgemeinheit mag verwerflich sein, aber es gibt Schlimmeres, etwa Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin dafür, Steuerhinterzieher zu bestrafen. Und zwar so, wie es das Gesetz vorsieht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Davon abgesehen sollte man sich in der erregten Debatte jeder Maßlosigkeit enthalten.

Wenn jemand dafür eintritt, Ausländer abzuschieben, falls sie sich strafbar machen, ist man mit dem Verdacht, er sei rechtslastig oder gar rassistisch, schnell bei der Hand. Und das sogar oft zu Recht. Kriminelle Ausländer, so jedenfalls meine Meinung, sind wie alle anderen Kriminellen zu behandeln. Sie sollen ihre Strafe erhalten, sind aber dann wie jeder andere Straftäter zu resozialisieren. Allenfalls bei nicht resozialisierbaren Intensivtätern sollte das Mittel der Ausweisung in Betracht kommen.

Für ähnlich verwerflich halte ich die Forderung, Steuerhinterzieher auszubürgern. Insbesondere wegen den historischen Erfahrungen, die wir mit der Nazidiktatur gemacht haben. Laut Wikipedia wurden damals u.a. Willy Brandt, Albert Einstein, Thomas Mann, Erich Maria Remarque und Kurt Tucholsky ausgebürgert. Wie überhaupt die Ausbürgerung ein gerne praktiziertes Instrument autoritärer/totalitärer Staaten ist. Genau deshalb verbietet sie unser Grundgesetz: "Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden", sagt Artikel 16 Abs. 1 GG. Und das ist gut so. Auch Artikel 15 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verlangt: "Jeder hat das Recht auf eine Staatsangehörigkeit."

Angesichts dessen bin ich umso erschrockener, dass sich Albrecht Müller von den NachDenkSeiten die Ausbürgerung von Steuerhinterziehern durchaus vorstellen kann: "Die Strafandrohung ist offensichtlich nicht sehr wirksam. Deshalb muss sie verschärft werden. (…) Die Drohung der Ausbürgerung müsste überlegt werden. Es macht ja keinen Sinn, Menschen hier weiter die relativ gute öffentliche Versorgung genießen zu lassen, wenn sie sich in dem vermutlichen Umfang wie im Fall Hoeneß der Beteiligung der Finanzierung öffentlicher Leistungen entziehen", heißt es dort. [1]

Diese Forderung finde ich, mit Verlaub, absolut hirnrissig. Was man jedem anderen Straftäter, ob Dieb oder Vergewaltiger, zubilligt, nämlich dass er ungeachtet seiner Taten Deutscher bleiben darf, das soll künftig Steuerhinterziehern versagt bleiben? Gefährlicher Populismus, der lediglich auf der aktuellen Empörungswelle reitet. In meinen Augen ist das genau die Maßlosigkeit, vor der ich dringend warnen muss. Steuerhinterzieher sind zwar Straftäter, doch sie sind auch Menschen, denen - ebenso wie jedem anderen - Grundrechte zustehen. Wer grundrechtswidrige Maßnahmen empfiehlt, begibt sich auf ein gefährliches Gleis. Und er tut sich und dem zweifellos notwendigen Kampf gegen Steuerhinterzieher gewiss keinen Gefallen.

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[1] NachDenkSeiten vom 21.04.2013, "Fall Hoeneß: Die Einschläge im Milieu der Regierungsparteien werden heftiger"