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15. Juli 2013, von Michael Schöfer
Der Opportunismus der CSU ist kaum zu überbieten


Raffinierte, aber vollkommen legale Steuersparmodelle ermöglichen es internationalen Konzernen, ihre Abgabenlast drastisch zu minimieren. So hat etwa Amazon im vergangenen Jahr in Deutschland Steuern in Höhe von lediglich 3,2 Mio. Euro gezahlt, obwohl der Versandhändler hierzulande 6,6 Mrd. Euro umsetzte. Der Großteil der Erlöse floss "an die in Luxemburg angesiedelte Amazon Europe Holding Technologies, die einen Gewinn von 118 Millionen Euro auswies. Als steuerbefreite Partnerschaft zahlte diese keine Steuern." [1] Darüber darf man sich zu Recht aufregen. Und das tut die Union auch.

"Große, global agierende Konzerne wie zum Beispiel Apple, Google, Amazon haben es mittlerweile geschafft, ihre Steuerschuld so zu schmälern, dass sie mitunter nur noch die Hälfte des üblichen im Heimatland geltenden Steuersatzes zahlen", schimpft der ehedem von der CSU kommende CDU-Bundestagsabgeordnete Manfred Kolbe, der dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages angehört. "Durch diese Methode entgehen den europäischen Staaten nach Schätzung des EU-Kommissars Semeta bis zu 1 Billion Euro Steuereinnahmen. Um diesem Problem der legalen Steuerumgehung zu begegnen, ist es erforderlich, die Fehler nicht nur bei den Unternehmen selber zu suchen, sondern auch im europäischen Steuersystem. Denn nur durch die sehr unterschiedlichen Steuersätze und Steuergesetze in Europa und den anderen Nationen ist solch eine Verschiebung der Gewinne möglich." [2]

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Dr. h.c. Hans Michelbach wiederum, ebenfalls Mitglied im Finanzausschuss, versichert großspurig: "Bei der Bekämpfung von Steueroasen, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung lässt sich unsere Koalition von niemandem überbieten. (…)  Es wird von uns nicht hingenommen, dass Amazon und Google hier nur 2, 3 Prozent versteuern. Das ist wettbewerbsungerecht. Deswegen wollen wir, dass sich hier massiv etwas ändert. Das ist aber nicht die Schuld des deutschen Fiskus. In verschiedenen Ländern, wie Irland, Holland und Luxemburg, gibt es Steuerdumping. Wir versuchen natürlich, dieses Steuerdumping massiv zu bekämpfen." [3]

Bei der Regierungskoalition ist er in puncto Steuergerechtigkeit in guten Händen, denkt der Bürger. Doch falsch gedacht, der gnadenlose Opportunismus der Union zieht einem vielmehr die Schuhe aus. Soeben hat nämlich der CSU-Parteivorstand den sogenannten "Bayernplan" auf den Weg gebracht, darin treten die Christsozialen u.a. für mehr Wettbewerb bei der Erbschaftssteuer ein. "Wir wollen, dass Bayern über Steuern wie etwa die Erbschaftsteuer selbst bestimmen darf." [4] "Wir wollen einen Steuerwettbewerb der Länder zulassen", erläutert der bayerische Finanzminister Markus Söder. Die Erbschaftsteuer soll in Bayern halbiert werden. [5] Andere könnten sie ja dann verdoppeln oder vervierfachen, fügt er spitzbübisch hinzu. "Ich bin mir sicher, dass durch eine reduzierte Erbschaftsteuer die Steuereinnahmen steigen, weil sich viele Mittelständler in Bayern ansiedeln würden." [6]

Das bedeutet: Die CSU will das, was sie auf internationaler Ebene lauthals anprangert, demnächst auf nationaler Ebene einführen. Bayern würde dadurch zur Steueroase. Genauso wie Luxemburg, Liechtenstein, die Cayman Islands oder die Britischen Jungferninseln die Steuervermeider aus aller Welt anlocken, beabsichtigt die bayerische "Staatspartei", anderen Bundesländern die Besserverdienenden abzuwerben. Aus purem Egoismus, versteht sich. Und ohne Rücksicht auf die schlimmen Folgen andernorts. Im Bundestag beteuert man, das europäische Steuersystem mit seinen unterschiedlichen Steuersätzen zu bekämpfen, denn das sei faktisch Steuerdumping. Aber gleichzeitig plant man in München, Steuerdumping auf Länderebene durchzusetzen. Eine saubere Arbeitsteilung ist das.

Wie wollen Politiker künftig Apple, Google oder Amazon kritisieren, wenn sie genau das Gleiche praktizieren? Gar nicht! Der Opportunismus der CSU ist kaum zu überbieten. Und deshalb kann man den Bekundungen der Union, die Steuervermeidung energisch zu bekämpfen, auch keinen Glauben schenken. Das sind bloß Lippenbekenntnisse, die ebenso wenig ernst zu nehmen sind wie die Beteuerungen der Bundesregierung, man sei von den illegalen Abhörmaßnahmen der NSA überrascht worden und habe davon erst aus der Presse erfahren. Ja, ja, wer's glaubt...

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[1] Wirtschaftswoche vom 12.07.2013
[2] CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Rede zur steuerlichen Transparenz von multinationalen Unternehmen, 29.11.2012
[3] CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Rede zur Aktuellen Stunde zur Steuerhinterziehung, 18.04.2013
[4] CSU, Solide Finanzen
[5] Die Welt-Online vom 29.04.2013
[6] Focus-Money vom 16.10.2012