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22. Juli 2013, von Michael Schöfer
Schindlers Liste


Angesichts der Flut von Pressemeldungen über die große NSA-Ausspähaffäre gehen kleine, aber keineswegs unbedeutende Meldungen bedauerlicherweise völlig unter. Das führt zuweilen zu erheblichen Irritationen im Berliner Regierungsviertel. Beispiel: Schindlers Liste. Auf der Auktionsplattform "ebay" wird derzeit ein 14-seitiges Dokument angeboten, das 801 Namen enthält und angeblich Teil der berühmten Liste sein soll, die ursprünglich insgesamt 1.200 Personen umfasste. Startpreis der Auktion: 3 Millionen Dollar. [1] "Schindlers Liste" gelangte durch den gleichnamigen Film von Steven Spielberg zu weltweitem Ruhm, er wurde 1994 in Hollywood mit sieben Oscars ausgezeichnet.

Regierungssprecher Steffen Seibert legte auf der gestrigen Bundespressekonferenz Wert auf die Feststellung, dass es sich bei dem angebotenen Dokument nicht um die Liste des BND-Präsidenten Gerhard Schindler handele, sondern vielmehr um die Liste eines gewissen Oskar Schindler, ehedem Fabrikant in der polnischen Stadt Kraków. Das belege, so Seibert, schon der erste Augenschein. Die bei ebay angebotenen Seiten seien höchstwahrscheinlich mit einer Schreibmaschine erstellt worden, deren Produktion aufgrund des antiquierten Schriftbildes in den ersten vier Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts stattgefunden haben müsse. Heute schreibe jedoch niemand mehr mit einem solchen Modell, das hierzulande - soweit bekannt - letztmals zwischen 1945 und 1953 bei der Anfertigung von Persil-Scheinen verwendet wurde. Ein derartiges Papier finde sich in Regierungsunterlagen nur noch in der Personalakte von Hans Globke, dem Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, der unter Konrad Adenauer Chef des Bundeskanzleramts war. Das, was heute - ohne Persil-Schein - Ronald Pofalla ist.

Gerhard Schindlers Liste sei den Worten Seiberts zufolge jüngeren Datums, elektronisch erstellt und im Übrigen wesentlich umfangreicher (mindestens ein Yottabyte = 1.000.000.000.000.000.000.000.000 Byte). Außerdem wurde sie nach Abschluss der Maßnahme umgehend an die Vereinigten Staaten weitergereicht, so dass die Wahrscheinlichkeit, sie bei Auktionshäusern angeboten zu bekommen, gegen null tendiere. General Keith B. Alexander, der Direktor der NSA, gelte in Berlin als zuverlässiger Freund Deutschlands, weshalb ihm die Bundeskanzlerin ihr vollstes Vertrauen schenke. Überdies habe Angela Merkel von der Existenz der Liste erstmals aus der Presse erfahren. Auf Frage von Pressevertretern, ob es vielleicht zwei gleichnamige Listen gebe, antwortet Seibert ausweichend. Er wisse zwar nichts über die Liste, aber mit großer Sicherheit gebe es davon nur eine einzige. Letzte Gewissheit bekomme man freilich erst nach Ende der ebay-Auktion im Jahr 2043. Die Bundesregierung beabsichtige, spätestens bis dahin für brutalstmögliche Aufklärung zu sorgen.

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[1] Spiegel-Online vom 20.07.2013