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04. Dezember 2013, von Michael Schöfer
Was muss eigentlich noch passieren?


Unverbesserliche Serientäter kommen gelegentlich in Sicherungsverwahrung, weil sie auch nach der Strafverbüßung eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Eine Tätergruppe ist davon allerdings ausgenommen: die Banken. Sie sind offenbar die einzigen, die sich praktisch alles erlauben können.

Blenden wir kurz zurück: Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise ist ja im Kern darauf zurückzuführen, dass die Banken die Stabilität der Finanzmärkte durch eine überbordende Spekulation systematisch zugrunde richteten. Die Finanzakrobaten haben Geld mit Geldgeschäften verdient. Früher, vor der fatalen Deregulierung, waren dazu in der Regel Investitionen in die Realwirtschaft notwendig. Anleger setzten auf Unternehmen und bauten auf deren Geschäftsmodelle, wenn es gut lief hatten alle Beteiligten Vorteile: An die Anleger flossen Dividenden und Kursgewinne, die Unternehmen erwirtschafteten Profite und schufen Arbeitsplätze, die Konsumenten durften sich über neue Produkte freuen und der Staat erhöhte seine Steuereinnahmen. Das war, grob gesagt, die alte Welt.

In der neuen Welt muss man gar nicht mehr in die Realwirtschaft investieren, heute kann man selbst mit den winzigsten Kursunterschieden riesige Profite einfahren. Und weil Gier bekanntlich nahezu grenzenlos ist, handelten die Banken nicht nur fahrlässig, sondern übertraten sogar das Gesetz. Menschen Immobilienkredite anzudrehen, die sich wegen ihres mageren Einkommens keine Häuser leisten konnten, mag dumm sein. Anschließend die naturgemäß unsicheren Hypothekenforderungen in komplex verschachtelte Wertpapiere zu packen und unwissenden oder naiven Anlegern unterzujubeln, ist schon höchst fragwürdig. Letzteres löste 2007 die Subprime-Krise aus. Aber damit nicht genug, die einst so seriösen Banker bekamen offenbar den Hals nicht voll. "Großbanken sollen Goldpreis manipuliert haben", titelte kürzlich Die Welt. [1] Zuvor wurde schon viel über die Manipulation des Libor (London Interbank Offered Rate) und des Euribor (Euro Interbank Offered Rate) geschrieben. Und nun ermittelt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auch wegen der möglichen Manipulation von Währungskursen. Stets im Zentrum der Ermittlungen: die üblichen Verdächtigen - mehrere internationale Großbanken.

Das treibt den Bürgerinnen und Bürgern zu Recht die Zornesröte ins Gesicht. Natürlich insbesondere in Ländern, die von der Finanz- und Wirtschaftskrise am härtesten getroffen wurden und wo es in deren Folge zu gewaltigen sozialen Verwerfungen kam. Die Banken sind nicht die Opfer der Krise, denen der Staat hilfreich unter die Arme greifen muss. Sie sind vielmehr die Täter, und man hätte sie allesamt verstaatlichen sollen (eine spezielle Form der Sicherungsverwahrung). Am Ende hintertreiben sie auch noch, leider oft erfolgreich, die dringend notwendige Regulierung der Finanzmärkte. Motto: Wenn ihr uns zu hart anfasst, schadet ihr euch nur selbst. Ob und wann es beispielsweise zur lange geforderten Finanztransaktionssteuer kommt, bleibt vorerst offen. Wundert es die Politiker vor diesem Hintergrund wirklich, wenn populistischen Parteien bei der bevorstehenden Europawahl große Stimmengewinne vorhergesagt werden? Mich ehrlich gesagt nicht, Wut sucht sich nämlich immer irgendein Ventil. Ob das am Ende hilfreich ist (wahrscheinlich nicht), steht auf einem ganz anderen Blatt. Was muss eigentlich noch passieren? Und wann kommen wir in Europa endlich zur Besinnung?

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[1] Die Welt-Online vom 27.11.2013