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20. Dezember 2013, von Michael Schöfer
Bundespapagei anstatt Bundesinnenminister


Erinnern Sie sich noch an einen gewissen Karl-Theodor zu Guttenberg? Ja, genau, das war unser ehemaliger Verteidigungsminister, der sich gegen Plagiatsvorwürfe derart grottenschlecht verteidigt hat ("Sie [die Doktorarbeit] enthält fraglos Fehler"), bis man am Ende heilfroh war, dass er nicht in die Verlegenheit kam, die Bundesrepublik zu verteidigen. Das hätte zweifellos in einem Debakel geendet. Die Zeit ernannte Guttenberg kurzerhand zum "Lügenbaron". [1] Seine Dissertation glänzte bekanntlich nicht bloß durch das "unkorrekte Setzen und Zitieren oder versäumte Setzen von Fußnoten", weshalb er jetzt selbst nur noch eine Fußnote der Geschichte ist.

Hans-Peter Friedrich (CSU) hat - wie Guttenberg - Jura studiert und in dem Fach auch seinen Doktor gemacht, über Fälschungen in Friedrichs Dissertation ist freilich bislang nichts bekannt geworden. Allerdings entwickelt er sich langsam ebenfalls zu einer Fußnote der Geschichte, ist er doch gerade vom Innenminister zum Landwirtschaftsminister degradiert worden. Es wäre unfair, ihm den Titel "Lügenbaron" anzuheften, denn Friedrich ist Spross einer bürgerlichen Familie. Richtiger wäre wohl "Bundespapagei", weil er in der NSA-Affäre jeden Unsinn nachplapperte, den die Amerikaner von sich gaben.

Die "USA wollen mit Prism 50 Anschläge verhindert haben", meldete Die Welt im Juni 2013. [2] "Der US-Geheimdienst NSA habe dank Programmen wie 'Prism' weltweit 45 Anschläge verhindert, davon 25 in Europa und fünf in Deutschland", gab der damalige Bundesinnenminister Friedrich nach seiner Rückkehr aus Washington bekannt. [3] "50 Anschläge", "45 Anschläge"? Ach, egal, wird schon irgendwie richtig sein. Dies änderte sich auch nicht, als Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen die Zahl der verhinderten Anschläge in Deutschland auf sieben korrigierte. [4] "Fünf Anschläge", "sieben Anschläge"? Ach, egal... Bei Geheimdiensten ist eben alles geheim. Sogar so geheim, dass Innenminister und Geheimdienstchefs im Dunkeln tappen. Zweck des Ganzen war: In den Köpfen der Bevölkerung sollte sich die Überzeugung festsetzen, Überwachung hilft.

Nun, knapp ein halbes Jahr danach, kommt die Wahrheit ans Licht. Etwas, das wir ohnehin schon geahnt haben. Der amerikanische Bundesrichter Richard Leon stellte fest: Der Regierung sei es in keinem einzigen Fall gelungen darzulegen, dass mit der Überwachung ein drohender Terroranschlag verhindert werden konnte. [5] Und die von US-Präsident Barack Obama eingesetzte fünfköpfige Expertenkommission kam im Großen und Ganzen zu dem gleichen Ergebnis: Die Sammelwut der NSA habe nicht eindeutig dazu beigetragen, das Land sicherer zu machen. Die Verbindungsdaten, die der US-Nachrichtendienst abschöpfte, waren "nicht wesentlich, um Anschläge zu verhindern". Die Informationen wären auch "mit einem altmodischen Gerichtsbeschluss" zugänglich gewesen. Das Sammeln der Metadaten "hat nur einen bescheidenen Beitrag zur Landessicherheit geleistet". [6]

So wie es derzeit aussieht, sind die Rechtfertigungen der NSA nichts als heiße Luft gewesen. Was ist denn aus den 50 oder meinetwegen auch 45 Anschlägen geworden, die angeblich durch die Überwachung verhindert wurden? Offenbar alles Lügen. Und der damalige Bundesinnenminister, der wie ein folgsamer Pudel nach Washington jettete und sich dort wie ein Schulbub mit billigen Ausreden abspeisen ließ, hat nach seiner Rückkehr lediglich das nachgeplappert, was ihm die Amerikaner bei seinem Besuch eingetrichtert haben. Bundespapagei anstatt Bundesinnenminister. Hoffentlich richtet er als Bundeslandwirtschaftsminister weniger Schaden an.

Interessant ist übrigens, dass Thomas Oppermann (SPD), einer der schärfsten Kritiker Friedrichs, seit dem 17. Dezember mit ihm zusammen in der schwarz-roten Koalition sitzt. Und man darf gespannt sein, ob Oppermann in seiner neuen Funktion als Chef der SPD-Bundestagsfraktion künftig genauso harte Kritik an den Geheimdiensten übt, wie er das noch vor Wochen getan hat. Er wäre nicht der Erste, der nach dem Motto handelt: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern."

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[1] Die Zeit-Online vom 22.02.2011
[2] Die Welt-Online vom 19.06.2013
[3] t-online.de vom 13.07.2013
[4] Die Welt-Online vom 18.07.2013
[5] Berliner Zeitung vom 17.12.2013
[6] Süddeutsche vom 20.12.2013