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18. Februar 2014, von Michael Schöfer
Was duftet da so unangenehm?


Nein, keine Angst, es geht hier nicht um die ziemlich unappetitliche Edathy-Affäre, über die andernorts so viel geschrieben wird. Es geht um viel profanere, aber keineswegs weniger anrüchige Dinge. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Schon seit mehr als dreißig Jahren wohne ich im gleichen Stadtteil, doch langsam stinkt's mir gewaltig. Vor etlichen Jahren hat die Stadt die Straßen in meiner Gegend umgebaut und die zuvor baumlosen Häuserschluchten begrünt. Prinzipiell begrüßenswert, aber gut gemeint ist halt nicht immer gut gemacht. Optisch zweifellos eine Wohltat, doch - wie sich mit der Zeit herausgestellt hat - olfaktorisch eine enorme Belästigung. Irgendein Stadtplaner war nämlich der Ansicht, dabei zum Ginkgo-Baum greifen zu müssen. Ausgerechnet in den engen Straßen meines Viertels. Für diejenigen, die es nicht wissen: Ginkgo riecht. Und zwar widerlich. Genaugenommen ist es der Ginkgosamen. "Die Samenschale entwickelt im ausgereiften Zustand einen unangenehmen Geruch nach ranziger Butter. Verantwortlich dafür sind die in der Samenschale enthaltenen Fettsäuren Buttersäure und Capronsäure." [1]


Der stinkende Ginkgo-Baum vor meinem Haus

[Bild: Michael Schöfer, CC BY-NC 3.0 DE-Lizenz]

Die Beschreibung in Wikipedia ist allerdings falsch, denn meiner Meinung nach stinken die Ginkgosamen nicht nach "ranziger Butter", sondern nach - pardon - vermodernder Hundescheiße. Früher prägten die "Tretminen" genannten Exkremente unseres besten Freundes den Geruch vieler Städte. Das hat durch Aufklärung und entsprechende Bußgelder drastisch abgenommen. "Wer einen Hund ausführt, ist verpflichtet, den Hundekot unverzüglich zu beseitigen, den der mitgeführte Hund auf Gehwegen, Straßen, Grün- und Freizeitanlagen, unterirdischen Anlagen sowie besonders ausgewiesenen Hundelaufflächen hinterlassen hat", verlangt die Mannheimer "Polizeiverordnung zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen und Anlagen". Wer Hundekot nicht unverzüglich beseitigt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Und die "kann mit einer Geldbuße von 5 Euro bis 5000 Euro geahndet werden". [2]

Die Drohung wirkt, denn die Gefahr, mit Hundescheiße an den Schuhsohlen nach Hause zu kommen, ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Doch gegen die nach Hundescheiße stinkenden Ginkgosamen ist die Allgemeine Polizeiverordnung vollkommen machtlos. Für Bewohner in den Erdgeschosswohnungen ist es deshalb äußerst ratsam, die Fenster fest geschlossen zu halten, andernfalls weht ihnen in den eigenen vier Wänden unangenehm riechende Luft um die Nase. Der Baum soll "unempfindlich gegenüber Luftschadstoffen" und "weitgehend resistent gegen Insektenfraß sowie von Pilzen, Bakterien und Viren ausgelöste Krankheiten" sein. Ein idealer Stadtbaum also - wenn er bloß nicht so stinken würde. Kurz gesagt, es ist eine haarsträubende Fehlplanung, solche Bäume mitten in ein dicht bebautes Wohngebiet zu setzen. Eigentlich müsste man sie austauschen. Nein, nicht die Stadtplaner, die Bäume! Obgleich...

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[1] Wikipedia, Ginkgo
[2] Stadt Mannheim, Allgemeine Polizeiverordnung, PDF-Datei mit 67 kb