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27. Februar 2014, von Michael Schöfer
Nur die Schuld der Bundesregierung?


Laut DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) weist Deutschland innerhalb der Eurozone die höchste Vermögensungleichheit auf. [1] Dass bei uns Einkommen und Vermögen ungleich verteilt sind, wird ja schon geraume Zeit kritisiert. Thomas Öchsner fordert in seinem Kommentar "Wo höhere Steuern sinnvoll sind": "Die Bundesrepublik liegt im internationalen Vergleich bei der Besteuerung von Vermögen weit hinten. (…) Hier könnte die Bundesregierung stärker zugreifen, ohne sparsamen Familien ihr Haus wegzunehmen oder fleißigen Mittelständlern die Geschäfte zu vermiesen. Passieren wird allerdings auch mit der neuen Regierung nichts. Die Union wird beim Thema Steuererhöhungen keinen Rückzieher machen. Das heißt aber auch: Sie tut nichts dafür, dass es in diesem Land ein bisschen gerechter zugeht." [2]

Die Substanz bröckelt, schreibt die SZ andernorts: "Bei 1.400 von insgesamt 25.000 Eisenbahnbrücken bestehe dringender Handlungsbedarf." [3] Doch der Bahn fehle das Geld zur Sanierung. Ein Aspekt der unzureichenden Besteuerung der Vermögenden. Allerdings: Ist daran bloß die Bundesregierung schuld? Keineswegs, denn der Großteil der Presse macht seit jeher Stimmung gegen Steuererhöhungen. Bedauerlicherweise beteiligt sich an dieser Stimmungsmache auch die Süddeutsche - für mich manchmal hart an der Grenze zur Desinformation. "Das Steuerprogramm der Grünen kann einen das Fürchten lehren. Über einzelne Elemente könnte man reden, in der Summe ist es ein Frontalangriff gegen die bürgerliche Mitte der Gesellschaft", behauptete etwa Marc Beise wenige Monate vor der Bundestagswahl. [4] Obgleich durch die Steuerpläne der Grünen lediglich 6,3 Prozent aller Haushalte zu den Verlierern gezählt hätten. [5] Wahrlich nicht die Mittel der Gesellschaft, sondern vielmehr die sogenannten Besserverdienenden.

SPD und Grüne, die beide Steuererhöhungen durchsetzen wollten, haben die Wahl prompt verloren. Und jetzt haben wir den Salat. Hätte die Süddeutsche vorher nicht so heftig gegen die rot-grünen Steuerpläne polemisiert, sähe es womöglich anders aus. Mit Verlaub, Herr Öchsner, die SZ sollte erst einmal vor der eigenen Haustür kehren, bevor sie die Schuld an der ungleichen Vermögensverteilung bloß der Bundesregierung in die Schuhe schiebt.

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[1] Süddeutsche vom 26.02.2014
[2] Süddeutsche vom 27.02.2014
[3] Süddeutsche vom 24.02.2014
[4] Süddeutsche vom 18.05.2013
[5] Süddeutsche vom 24.07.2013