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04. August 2014, von Michael Schöfer
Zugegeben, ich bin kein Jurist...


Wenn sich Fußballspieler nach Toren jubelnd ihres Trikots entledigen, bekommen sie vom Schiedsrichter die gelbe Karte gezeigt. Im Fußball gilt das nämlich als "unsportliches Betragen", obgleich die Damenwelt ja vielleicht recht froh ist, zur Abwechslung mal einen durchtrainierten Männerkörper begutachten zu können, und nicht immer bloß die Bierbäuche der Fußballfans. Fußball soll ja bekanntlich weiblicher werden... Und Sex sells.

Der Diskuswerfer Robert Harting, der ebenfalls einen stattlichen Männerkörper vorzuweisen hat und nach Siegen gerne vor Freude sein Trikot zerreißt, ist deshalb neuerdings mit juristischen Problemen konfrontiert. Sein Pech: Als Olympiasieger und mehrfacher Weltmeister hat er ziemlich oft Anlass, sich seiner Sportbekleidung zu entledigen. Bislang hat das die Zuschauer aber eher gefreut, die männlichen ebenso wie die weiblichen. Doch nun hat jemand Robert Harting eine Klage wegen "Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole" (§ 90a StGB) angedroht. Nein, liebe Leserinnen und Leser, wir schreiben nicht den 1. April.


Da hat er gerade Gold gewonnen...


...und schwups, weg ist das Trikot. Als Kompensation trägt er die Deutschlandfahne.
  [Bilder: Wikimedia Commons, GNU Free Documentation License 1.2, Urheber: Erik van Leeuwen]


Der Tatbestand ist erfüllt, wenn man die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer oder die verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht. So soll das Ansehen des Staates geschützt werden. Auch die Farben, die Flagge, das Wappen und die Hymne der Bundesrepublik sowie ihrer Länder sind davon erfasst. "Die Tat wird begangen, indem man die genannten Staatssymbole entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich machen oder beschimpfenden Unfug daran verübt. Beschimpfender Unfug ist dabei die für andere erkennbare Missachtung des Symbols in roher Weise", erläutert Wikipedia [1].

Man sollte sich zunächst fragen, ob das Trikot von Harting überhaupt ein schutzwürdiges Staatssymbol ist. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) ist laut Satzung die Vereinigung der Landes-Leichtathletik-Verbände, und diese wiederum die Vereinigung der Leichtathletik treibenden Vereine im jeweiligen Bereich. Die juristische Grundlage der Vereine findet man im Bürgerlichen Gesetzbuch, sie unterliegen folglich dem Privatrecht. Das Gleiche gilt für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).

Wenn Harting bei internationalen Sportveranstaltungen Deutschland vertritt, vertritt er damit noch lange nicht den Staat, sondern lediglich den DLV oder den DOSB (auch wenn diese feinsinnige Unterscheidung für die Zuschauer schwer nachzuvollziehen ist). Und selbst wenn auf dem Leichtathletiktrikot "Deutschland" steht und der Bundesadler zu sehen ist, wird durch das freudetrunkene Zerreißen desselben noch lange kein Staatssymbol tangiert. Jedenfalls nicht im Sinne des StGB. Es ist nur das Trikot des DLV. Außerdem fehlt es bei Robert Harting wohl schon am Vorsatz, der böswilligen Verächtlichmachung (sonst würde er ja auf der Ehrenrunde kaum die Deutschlandfahne zeigen).

Zugegeben, ich bin kein Jurist, dennoch glaube ich, dass es die Gerichte genauso sehen werden. "Das Ganze ist natürlich völliger Schwachsinn - und irgendwie auch typisch deutsch", meint der Diskuswerfer. [2] Mag sein, aber ich bin auch kein Psychiater...

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[1] Wikipedia, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
[2] FAZ.Net vom 03.08.2014