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07. Dezember 2014, von Michael Schöfer
Himmeherrgodnoamoi-Kruzefixhalleluja-Sakrament!


In Frankreich wacht die "Académie française" über die französischen Sprache, sie ist für deren Vereinheitlichung und Pflege zuständig. Was die Sprache angeht sind die Franzosen ohnehin eigen. Man sagt ihnen nach, dass sie Touristen, die kein Französisch können, hartnäckig die gewünschte Auskunft verweigern, etwa die nach dem kürzesten Weg zum Eiffelturm. Angeblich sollen sie besonders auf alle in Englisch vorgetragenen Auskunftsersuchen mit demonstrativer Verachtung reagieren. Keineswegs ein Vorurteil, wie uns diverse Reiseführer belehren: "Aus historischen Gründen und der republikanischen Tradition des Landes sind die Franzosen stolz auf ihre Sprache, die für sie einen wesentlichen Teil der Nationalkultur ausmacht. Frankreich-Touristen sollten sich zumindest einen Grundwortschatz aneignen. Wenn man sich zumindest bemüht, mit den Franzosen in ihrer Sprache zu sprechen, öffnen sie sich viel eher und schneller, zudem wird man von ihnen besser akzeptiert. Spricht man einen Franzosen gleich in einer Fremdsprache an, kann es sein, dass dieser sich weigert mit einem zu sprechen und vorgibt, nur französisch zu sprechen." [1] Meine eigenen Französischkenntnisse beschränken sich bedauerlicherweise auf "Oui", "Bonjour", "Adieu" und - woher auch immer - "Voulez-vous coucher avec moi çe soir". Aber ich bezweifle, dass ich mich damit erfolgreich bis zum Eiffelturm durchschlagen könnte (obgleich der in Paris nun wahrlich nicht zu übersehen ist).

In Deutschland gibt es keine der Académie française entsprechende Institution. Deshalb heißen bei uns Mobiltelefone "Handy" - ein für die Bundesrepublik typischer Pseudoanglizismus. "Handy" ist nämlich eine rein deutsche Kreation, in Großbritannien sagt man dazu "mobile phone". Liebe Leserinnen und Leser, Sie haben sich während der WM die Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft beim "Public Viewing" angesehen? Hätten Sie in New York nach dem Weg zum "Public Viewing" gefragt, wären Ihnen schräge Blicke sicher gewesen, denn in den USA versteht man darunter die Aufbahrung eines Toten im offenen Sarg. Die Deutschen geben sich halt gerne weltläufig, entpuppen sich aber genau besehen als provinzielle Einfaltspinsel. Wenigstens sorgen wir damit im Ausland für Heiterkeit. Für ein Land, das seine Nachbarn im 20. Jahrhundert mit zwei Weltkriegen überzog, immerhin ein kleiner Fortschritt.

Nun soll damit endgültig Schluss sein, in Bayern hat sich soeben die "Académie langue allemande" zu Wort gemeldet. Sie nennt sich dort offiziell CSU. Geht es nach dem Willen der CSU, müssen Einwanderer nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern sogar in ihren eigenen vier Wänden deutsch sprechen. "Welcher Blockwart soll denn das kontrollieren?", fragt der Grüne Volker Beck zu Recht. "Wie Menschen in ihren vier Wänden reden, geht in einem freien Land weder den Staat noch eine Partei etwas an." Auch innerhalb der Académie langue allemande tauchen erste Zweifel auf: "Das ist ein Schmarrn! Machen wir dann demnächst die Videoüberwachung in den Küchen?", gibt der CSU-Landtagsabgeordnete Martin Neumeyer zu bedenken. [2] Die bayerischen Sprachwächter werden im Netz mit Hohn und Spott übergossen. Da möchte man mit einem urdeutschen "Himmeherrgodnoamoi-Kruzefixhalleluja-Sakrament!" dazwischenfahren, was jeder Norddeutsche - schon allein wegen der damit verbundenen Lautstärke - sofort und zweifelsfrei als Unmutsäußerung erkennt. Dennoch: Die Frage, ob die Mitglieder der Académie langue allemande selbst ihren hohen Ansprüchen gerecht werden, ist mitnichten an den Haaren herbeigezogen. Sprechen die Bayern im Wirtshaus und daheim überhaupt deutsch? "Mia san mia", wird einem daraufhin trotzig entgegengeschleudert. Ob die Frage zu unserer Zufriedenheit beantwortet ist, bleibt also weiterhin offen.

Der FC Bayern München ist der unbestrittene Topclub Deutschlands. Heuer, Verzeihung, dieses Jahr führt er schon wieder mit großem Abstand die Bundesligatabelle an. Es herrscht gähnende Langeweile, die Frage ist nämlich nur noch die, wer hinter dem Rekordmeister Zweiter wird. Dabei könnte ausgerechnet die CSU alias Académie langue allemande für mehr Spannung sorgen. Bayern München hat bekanntlich oft Pech mit seinen Trainern. Weniger sportlich, eher sprachlich. Viele werden sich bestimmt noch an einen gewissen Giovanni Trapattoni erinnern. Weniger wegen seinen Erfolgen (1 x deutscher Meister, 1 x Gewinner des DFB-Pokals), eher wegen seinen exzellenten Deutschkenntnissen. Trapattonis Glanzpunkte "schwach wie eine Flasche leer" und "Ich habe fertig" sollen sogar, wie man hört, ins Panthéon der Académie langue allemande aufgenommen werden. Der Italiener Trapattoni ist freilich längst der Geschichtsschreibung anheimgefallen, jetzt hat beim FC Bayern der Spanier Josep (Pep) Guardiola das Sagen.

Dem aktuellen Bayern-Trainer soll es ebenfalls schwerfallen, Deutsch zu lernen. "Ich würde gerne mehr Deutschstunden nehmen, um mich besser unterhalten zu können. Das ist eine Möglichkeit, um die Spieler im Herzen zu erreichen. Ich würde gerne flüssiger sprechen können. Mein Deutsch ist noch nicht gut, aber das ist normal. Vor einem Jahr wusste ich nicht mal, was Hallo bedeutet", sagte der Migrant Guardiola im Januar. [3] Aber offenbar ist Guardiola entgegen seinen öffentlich geäußerten Bekundungen extrem lernunwillig, denn im August gestand er angesichts fortdauernder Sprachprobleme erneut ein: "Ich muss wieder regelmäßig üben." [4] Er habe neben seinem anstrengenden Trainer-Job wenig Zeit, entschuldigte sich der Chef-Coach. Doch anstatt wie jeder ordentliche Einwanderer unablässig Deutsch zu lernen, ist Guardiola im Sommer zur WM nach Brasilien gereist, hat in Spanien Urlaub gemacht und in Argentinien einen Vortrag gehalten. Ich gehe jede Wette ein, zu Hause spricht er mit seiner Frau und seinen drei Kindern kein einziges Wort in der Sprache Goethes, dem allseits geschätzten Frankfurter Bobbelsche. Himmeherrgodnoamoi-Kruzefixhalleluja-Sakrament!

"Ein gesellschaftliches Miteinander funktioniert nur, wenn alle dieselbe Sprache sprechen.", steht im CSU-Leitantrag "Integration durch Sprache". Genau! Und was machen wir, wenn sich Migranten der gewünschten Integration hartnäckig verweigern? Richtig: Ausweisen! Guardiola kämpft obendrein für die Unabhängigkeit Kataloniens. Seit Putin wissen wir schließlich, dass Separatisten mit Vorsicht zu genießen sind und möglicherweise eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Wollen wir die spanisch-katalonischen Probleme nach Deutschland importieren? Ich sage: Nein! Die Allianz-Arena ist kein Ort für Stellvertreterkriege, der Krieg der Dortmunder gegen die Bayern reicht uns vollkommen. Schicken wir lieber, ganz im Sinne der Académie langue allemande, den penetranten Sprachverweigerer ins heimische Konfliktgebiet zurück. Das würde ganz nebenbei die Bundesliga wieder spannender machen. Denn legt man an der gesamten Mannschaft des FC Bayern die sprachliche Messlatte der CSU an, bleibt allenfalls ein Rumpfkader um den Torhüter Manuel Neuer (geboren in Gelsenkirchen) übrig. Ob das abermals zur Deutschen Meisterschaft reicht, ist mehr als fraglich.

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[1] Wikivoyage, Frankreich
[2] Bayerischer Rundfunk vom 07.12.2014
[3] Sportal.de vom 23.01.2014
[4] Abendzeitung vom 21.08.2014