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20. Februar 2015, von Michael Schöfer
Deutsche Sprach', schwere Sprach'


Okay, okay, jeder greift beim Sprachgebrauch gelegentlich daneben, insbesondere wenn es sich um Fremdwörter handelt. Ist mir auch schon passiert (wer diesbezüglich ohne Fehler ist, werfe den ersten Duden). Nicht schlimm, aber mitunter peinlich. Manchmal schwanke ich: Passt jenes Fremdwort oder das andere? Vielleicht sollte man am besten, zumindest an solchen Textstellen, ganz auf den Gebrauch von Fremdwörtern verzichten. Rein prophylaktisch, versteht sich. Verzeihung: vorsorglich. Allerdings fällt es zuweilen schwer, Fremdwörter richtig einzudeutschen.

"Polemisch" zum Beispiel. Es kommt aus dem Französischen (polémique), das wiederum aufs Griechische zurückgeht (polemikós). Und es hat die Bedeutung: "In der Art eines unsachlichen Angriffs." Im Griechischen bedeutet es "kriegerisch". Aber wenn man zu jemand sagt "Deine Äußerung war kriegerisch", ist das von meinem Sprachgefühl her in den allermeisten Fällen unpassend. "Kriegerisch" passt eher zu den Äußerungen eines Kriegstreibers (z.B. die Sportpalastrede von Joseph Goebbels).

"Polemisch" ist mittlerweile so gebräuchlich, dass man im Grunde gar kein gleichartiges deutsches Wort mehr kennt. Sicherlich, es gibt sinnverwandte Wörter: ablehnend, aggressiv, angreifend, bissig, böse, feindselig, gehässig, herausfordernd, provokativ, streitbar, streitsüchtig, überspitzt, scharf, spitz, unsachlich - aber treffen die den Nagel auf den Kopf? Meines Erachtens nicht. Das ist bei "desavouieren" (bloßstellen) anders. [1]

Manchmal werden Wörter verwendet, obgleich sie total falsch sind. "Trialog" ist so ein Wort, gemeint ist das Gespräch zwischen drei Personen/Institutionen. Klingt zwar auf den ersten Blick logisch ("tri" für drei), stimmt aber trotzdem nicht. Ein Gespräch zwischen Menschen heißt nämlich immer nur "Dialog" - völlig gleichgültig, wie viele sich daran beteiligen. Die Vorsilbe "dia" bedeutet "durch", "während", "zwischen" und hat nichts mit zwei (griechisch dyo, lateinisch duo) zu tun. Der Trialog ist "mithin so albern, wie wenn man eine von drei Ärzten gegebene Diagnose eine Triagnose nennen würde." [2] Und wenn einer mit sich selbst spricht, ist es ein "Monolog".

Auch wenn drei Personen/Institutionen miteinander sprechen, ist es also stets bloß ein "Dialog", keinesfalls jedoch ein "Trialog". Wäre es anders, müsste man zu einem Gespräch zwischen vier Menschen folgerichtig "Quatralog" sagen (abgeleitet von quatre = vier). Oder bei fünf "Pentalog" (Pentagon = Fünfeck), bei sechs "Hexalog" (Hexagon = Sechseck) und bei sieben "Heptalog" (Heptagon = Siebeneck). Liebe Leserinnen und Leser, Sie stimmen mir bestimmt zu, dass dies vollkommen unsinnig wäre, ja geradezu grotesk.

Die Theorie ist das eine, die Praxis das andere. Insbesondere Politiker neigen dazu, eigentlich inexistente Wörter zu benutzen. Ob das für oder gegen sie spricht, mag jeder selbst beurteilen. "Bürger, Verwaltung und Politik: In diesem Trialog will ich als Oberbürgermeister in Mannheim wirken. Es geht um eine echte Bürgerbeteiligung", schreibt Peter Rosenberger auf seiner Website, mit der er sich den Wählerinnen und Wählern als Mannheimer OB-Kandidat präsentiert. [3] Er habe sich viel Gedanken gemacht, wie er Mannheim gestalten will. Darüber, dass es einen "Trialog" überhaupt nicht gibt, hat er wahrscheinlich weniger intensiv nachgedacht. Man könnte großzügig darüber hinwegsehen, hätte sich Mannheim nicht 2007 zur "Hauptstadt der deutschen Sprache" ernannt. In der Quadratestadt wird sogar der "Internationale Journalistenpreis der Hauptstadt der deutschen Sprache" ausgelobt. Und ausgerechnet dort will einer Oberbürgermeister werden, der einen "Trialog" zwischen Bürger, Verwaltung und Politik führen will? Nun ja... Wenn er das Wort wenigstens in Anführungszeichen gesetzt hätte.

Doch wir sollten nicht zu hart über ihn urteilen, denn kurioserweise darf man der selbsternannten Sprachhauptstadt fast schon traditionell zu nennende Sprachprobleme attestieren. Ablesbar an der Schreibweise der Mannheimer Straßennamen. Beispiele: Die "Windmühlstraße" gibt es auch als "Windmühl-Strasse" - wobei man "Straße" immer mit "ß" schreibt (ausgenommen in der Schweiz). Die "Burgstraße" findet man zugleich als "Burgstrasse" und "Burg-Strasse". Es existieren in der "Sprachhauptstadt" sogar vier Schreibweisen nebeneinander: "Rheinhäuser Straße", "Rheinhäuserstraße", "Rheinhäuser-Strasse" und "Rheinhäuserstrasse". [4] Zumindest war das 2007 so. Kurzum: blamabel.

Insofern passt Rosenbergers "Trialog" wiederum ganz gut zu Mannheim. Vor allem, weil auch Amtsinhaber Peter Kurz (SPD) von einem "Trialog von Bürgerschaft, Politik und Verwaltung" spricht - das aber mindestens bereits seit dem Jahr 2012. [5] Ich fürchte, da hat sich die CDU wohl ein bisschen bei Peter Kurz bedient, was auf einen Mangel an eigenen Ideen schließen lässt. Und den Fehler (Trialog) haben die Christdemokraten dann gleich mitübernommen. Fazit: Falsche Wörter verwenden ist verzeihlich, aber Ideen abkupfern ist fies. Bei Guttenberg nannte man das Plagiat (Wikipedia: "über frz. plagiaire 'Dieb geistigen Eigentums' aus lat. plagiārius 'Seelenverkäufer, Menschenräuber'"). Ehrlich, ob Rosenberger so Mannheimer Oberbürgermeister wird, wage ich zu bezweifeln. Frage: Ist das jetzt polemisch?

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[1] alle Beispiele bei Wiktionary, dem freien Wörterbuch, nachzulesen
[2] Süddeutsche vom 24.01.2011
[3] peter-rosenberger.de
[4] siehe Sprachhauptstadt Mannheim vom 04.08.2007
[5] Stadt Mannheim, "MANNHEIM GEMEINSAM GESTALTEN! Bürgerbeteiligung" vom Dezember 2012, Seite 9, PDF-Datei mit 1,4 MB