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10. März 2015, von Michael Schöfer
Starke Worte - und nichts dahinter


Der Bürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt ist nach wochenlangen Anfeindungen durch Rechtsextreme zurückgetreten. Das empört Bundespolitiker. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: "'Wenn sich in unserer rechtsstaatlichen Demokratie ein gewählter Bürgermeister vor einem braunen Mob nicht mehr geschützt sieht, müssen alle Alarmglocken schrillen.' (…) Bundesjustizminister Heiko Maas nannte es 'eine Tragödie für unsere Demokratie, wenn ein gewählter Bürgermeister wegen Anfeindungen von Neonazis zurücktreten muss'. Politik und Zivilgesellschaft müssten 'klar Position beziehen: Hetze gegen Flüchtlinge, Hetze gegen demokratisch gewählte Bürgermeister - das geht gar nicht.'" [1]

Starke Worte - und bedauerlicherweise nichts dahinter. Bundeskanzler Gerhard Schröder forderte seinerzeit den "Aufstand der Anständigen" gegen Rechts, dessen ungeachtet verfolgte die Justiz noch Jahre danach Nazi-Gegner. Und warum? Bloß weil sie Anti-Nazi-Buttons trugen oder verkauften. Das sei "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" (§ 86a StGB), meinten übereifrige Staatsanwälte und Richter. Grotesk, nicht wahr? Diesem Unsinn machte erst der Bundesgerichtshof ein Ende.

Und wie die sächsische Justiz noch heute mit Nazi-Gegnern verfährt, ist meiner Meinung nach skandalös. Erinnert sei hier nur an das Strafverfahren gegen den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Doch das ist leider nur die Spitze des Eisbergs. Ich will jetzt gar nicht mit dem empörenden und äußerst merkwürdigen Staatsversagen in Bezug auf die NSU-Mordserie weitermachen.

Mit Verlaub: Sätze wie die von Özdemir und Maas sind doch reine Lippenbekenntnisse, wenn man die, die sich vor Ort gegen Rechts engagieren, im Regen stehen lässt oder sogar noch strafrechtlich verfolgt. Um nicht missverstanden zu werden: Nichts rechtfertigt Straftaten, egal ob sie von Rechts oder Links begangen wurden. Aber der Eindruck, man sei Linken gegenüber besonders unnachsichtig und konfrontiere sie gelegentlich mit an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfen, drängt sich zuweilen förmlich auf. Der Staat muss jedoch alle gleich behandeln.

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[1] tagesschau.de vom 10.03.2015