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11.
Juli 2015, von Michael Schöfer
Schon wieder ein
Sportschütze
Der Bundestag debattiert gegenwärtig vier Gesetzentwürfe über
die Ausgestaltung der Sterbehilfe, einer davon spricht sich
sogar gegen jegliche Unterstützung beim Suizid aus. Danach
soll die Beihilfe zum Suizid mit bis zu fünf Jahren Gefängnis
bestraft werden. Der Suizid selbst soll allerdings straffrei
bleiben, die Vollendung entzieht sich naturgemäß der
juristischen Ahndung. Wie immer man dazu stehen mag, von der
aktiven Sterbehilfe ganz zu schweigen, es geht dabei einzig
und allein um den Willen todkranker Menschen, mit Würde
sterben zu können.
Mörder sind eine ganz andere Kategorie. Mord ist und soll auch
nach der von Heiko Maas geplanten Strafrechtsreform verboten
bleiben. Was sich ändert, ist lediglich die Definition,
außerdem will der Bundesjustizminister den Richtern mehr
Flexibilität beim Strafmaß einräumen. Doch der Staat
unterlässt es seit langem, Mördern den Zugang zu Schusswaffen
so schwer wie möglich zu machen. Gewiss, nach dem Amoklauf von
Winnenden, bei dem der Täter mit der Waffe seines Vaters
(eines Sportschützen) 15 Menschen ermordete, hat man das
Waffenrecht verschärft. Aber das war offenbar nicht
ausreichend, denn auch danach kam es immer wieder zu Tötungen
durch Sportschützen.
- Wellendingen,
17.07.2013: Ein 39-jähriger Sportschütze erschießt in
einem Nachbarstreit einen 43-jährigen Mann. [1]
- Dossenheim,
21.08.2013: Ein 71-jähriger Sportschütze erschießt bei
einer Eigentümerversammlung zwei Männer, verletzt fünf
Menschen und nimmt sich anschließend selbst das Leben. [2]
-
Berlin-Charlottenburg, 16.09.2013: Ein eifersüchtiger
Sportschütze tötet seine Ex-Freundin. [3]
- Ingolstadt,
07.10.2013: Ein 43-jähriger Sportschütze schießt sich "den
Weg in den Ingolstädter Polizeikomplex frei. Als ihn zwei
Beamte stellen wollen, tötet er sich. Zuvor hatte er
bereits einen Bekannten getötet und eine Frau bedroht."
[4]
- Bielefeld,
18.05.2014: "Ein 75 Jahre alter Sportschütze hat mit
mehreren Schüssen in den Kopf zwei Menschen auf offener
Straße getötet und sich später das Leben genommen." [5]
- Der aktuellste
Fall am 10.07.2015 im mittelfränkischen Leutershausen: Ein
47-jähriger Sportschütze erschießt bei einem Amoklauf zwei
Menschen. Die Opfer: eine 82-jährige Frau und ein 72 Jahre
alter Radfahrer. Ein drittes Opfer hatte viel Glück, die
Kugel verfehlte den Traktorfahrer knapp. [6]
Nur eine kleine
Auswahl, stellvertretend für zahlreiche andere Fälle. Die
Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen!" hat in einer
Übersichtskarte akribisch festgehalten, wo und wie oft in
Deutschland seit 1991 mit Waffen von Sportschützen Menschen
getötet wurden (der neue Amoklauf ist darin noch gar nicht
enthalten). Und jedes Mal folgt danach: Die Öffentlichkeit ist
entsetzt und besorgt, die Politiker zeigen sich tief
betroffen, aber faktisch ändert sich so gut wie nichts. Das
Töten geht weiter. Keine billige Polemik, sondern nur eine
Feststellung, die sich an den Tatsachen orientiert. Es ist
immer das gleiche Muster.
[Quelle: Initiative "Keine Mordwaffen als
Sportwaffen!", PDF-Datei mit 940 kb]
Dem
Bundesinnenministerium zufolge befanden sich Anfang 2013 rund
5,5 Mio. legale Schusswaffen in den Händen von 1,4 Mio.
Waffenbesitzern. Nach Angaben des Deutschen Schützenbundes
sind etwa 1,4 Mio. Sportschützen in rund 15.000 Vereinen
organisiert - ein Wählerreservoir, mit dem es sich kaum ein
Politiker verscherzen will. [7] Doch ist es nicht geradezu
absurd, wenn zwar die Beihilfe zum Suizid todkranker Menschen
nach dem Willen von Abgeordneten bestraft werden soll, die
Politik den Sportschützen aber weiterhin die Verfügungsgewalt
über Schusswaffen lässt? Wie viele Opfer braucht es eigentlich
noch, damit die Politik endlich handelt?
Meiner Meinung nach gibt es nur ein einziges Mittel, künftig
Morde, die von Sportschützen begangen werden, zu unterbinden:
Nehmt ihnen die Schusswaffen weg, Luftgewehre und -pistolen
tun es sicherlich auch. Und Bogenschießen soll ja ebenfalls
viel Spaß machen. Geschieht das nicht, sind weitere Amokläufe
vorprogrammiert. Bis zur nächsten Tat ist es dann bloß noch
eine Frage der Zeit. Was ist mehr wert - der Schutz der
Bevölkerung oder das Recht der Sportschützen auf Ausübung
ihres Privatvergnügens?
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[1] Oberpfalznetz.de vom 17.07.2013
[2] Spiegel-Online vom 21.08.2013
[3] Die Welt-Kompakt vom 16.09.2013
[4] Handelsblatt vom 07.10.2013
[5] n-tv vom 18.05.2014
[6] Süddeutsche vom 10.07.2015
[7] Mittelbayerische Zeitung vom 21.08.2013
siehe auch:
Immer
diese Sportschützen vom 20.09.2010
Bedauerliche
Einzelfälle und extrem selten vom 21.07.2012
Mal
wieder ein Einzelfall vom 21.08.2013
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