Home | Archiv
| Leserbriefe
| Impressum 25. Juli 2015, von Michael Schöfer Wenigstens ehrlich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) sagte in einem Interview mit dem NDR, "dass es schwer sei, gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu gewinnen. 'Ich glaube, sie macht das ganz ausgezeichnet - sie ist eine gute Kanzlerin.'" Es könne, so Albig weiter, auch ein Wahlziel sein, an der nächsten Regierung beteiligt zu sein. Als Juniorpartner der Union, versteht sich. Doch selbst "dafür brauche man einen starken Kandidaten. 'Ob die Bezeichnung Kanzlerkandidat noch richtig ist oder nicht, das werden wir sehen.'" [1] In seiner Partei erntete Albig deshalb harsche Kritik und im Netz beißenden Spott, allgemein wird seine Äußerung als vorzeitige Selbstaufgabe interpretiert. Motto: Gegen Angela Merkel kommen wir halt nicht an. Wenn eine Mannschaft mit dem Glauben an eine Niederlage den Platz betritt, wird das in den meisten Fällen auch zu einer Niederlage führen. Das gilt nicht nur im Sport, sondern ebenso in der Politik. Wer sich also von vornherein bloß als zweiter Sieger sieht, wird bestenfalls den zweiten Platz erreichen. Die Betonung liegt auf "bestenfalls", denn das Ganze kann natürlich genauso gut in einem Debakel enden. Die SPD ist seit Gerhard Schröders Agenda-Politik mächtig abgesackt, auf Bundesebene war das Wahlergebnis 2009 (23 %) das schlechteste seit Bestehen der Bundesrepublik. Und das Wahlergebnis 2013 (25,7 %) das zweitschlechteste. Von den mehr als 40 Prozent, die die SPD bräuchte, um in einer Zweierkoalition den Kanzler zu stellen (d.h. ohne Beteiligung der Linken), sind die Sozialdemokraten meilenweit entfernt. Angesichts solcher Äußerungen besteht wohl auch auf absehbare Zeit keine Aussicht auf entsprechende Stimmenzuwächse. In den Wahlumfragen dümpelt die Partei seit langem um die 25 Prozent herum. Doch eines muss man Torsten Albig zugutehalten: Er meint es wenigstens ehrlich. So, wie die Sozialdemokraten derzeit aufgestellt sind, gewinnen sie gegen Angela Merkel keinen Blumentopf und müssen sich gezwungenermaßen als Juniorpartner anbiedern. Was Parteichef Sigmar Gabriel, intern neuerdings "Mister Zickzack" genannt, eigentlich will, dürfte bislang den meisten verborgen geblieben sein, denn er irrlichtert im politischen Raum umher (Kurswechsel beim Freihandelsabkommen TTIP, der EEG-Umlage und der Vorratsdatenspeicherung, Absage an Steuererhöhungen, Auftritt bei Pegida-Anhängern, unklare Haltung zu Schäubles "Grexit auf Zeit"). Gabriel will die SPD stärker in die Mitte rücken, denn links gewinne man keine Wahlen, dabei gibt es im Bundestag seit 2013 eine Mehrheit links der Union. [2] Eine Partei sollte für ihre Überzeugungen um Mehrheiten werben, nicht ihre Überzeugungen nach Umfrageergebnissen ausrichten. Letzteres führt nur zur totalen Beliebigkeit - und das ist genau der Eindruck, den der SPD-Vorsitzende hinterlässt (wie ein Fähnchen im Wind). Damit wird sich die SPD aber eher in Richtung 20 Prozent orientieren müssen, anstatt irgendwann einmal wieder die 30-Prozent-Hürde überspringen zu dürfen. ---------- [1] NDR vom 23.07.2015 [2] CDU/CSU 41,5 % vs. SPD 25,7 %, Die Linke 8,6 %, Grüne 8,4 % = 42,7 % |