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04. Oktober 2015, von Michael Schöfer
Warum keine Videoüberwachung?


Abermals hat eine Flüchtlingsunterkunft gebrannt, diesmal war sie sogar bereits bewohnt. Es hätte also durchaus Tote geben können. "Das ist ein feiger Mordanschlag und ein Terroranschlag auf unsere Gesellschaft!", echauffiert sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. Ein rechtsextremistischer Hintergrund, heißt es wie so oft, wird nicht ausgeschlossen. [1] Es geht also um schwere Straftaten. Oft genug kommt es bei Gebäuden, die als Flüchtlingsunterkünfte dienen sollen, schon vor der Ankunft von Menschen zu Brandstiftungen, wie etwa im baden-württembergischen Wertheim. Bei der Sporthalle, die als Notunterkunft gedacht war, handelt es sich - man höre und staune - um eine Einrichtung der dortigen Polizeiakademie. Zeugen sahen eine dunkel gekleidete Person, die in einem Pkw wegfuhr. Aufgeklärt ist die Tat bislang aber nicht.

Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) beteuerte, man werde alles tun, um die Tat aufzuklären, doch die Polizei könne Flüchtlingsunterkünften nun mal keinen ständigen Schutz gewähren. Angesichts der ungenügenden Personalausstattung der Polizei mag das sogar stimmen, gleichwohl fragt sich der besorgte Bürger, warum die Behörden unverständlicherweise auf andere zur Verfügung stehende Mittel verzichten. Gemäß § 21 des Polizeigesetzes von Baden-Württemberg kann nämlich die Polizei Kriminalitätsschwerpunkte mit Videokameras überwachen. Das hat zum einen präventiven Charakter, kann aber zum anderen auch bei der Tataufklärung hilfreich sein. In den übrigen Bundesländern dürfte die Rechtslage ähnlich sein. Nun rechtfertigen Tatsachen bekanntlich schon seit langem die Annahme, dass in oder an Flüchtlingsunterkünften Straftaten begangen werden sollen, dennoch wird nach wie vor auf die elektronische Überwachung von geplanten oder bestehenden Flüchtlingsunterkünften verzichtet. Warum eigentlich? Angeblich will man ja alles tun, um diese schlimmen Straftaten aufzuklären. Doch Absichtserklärungen sind zu wenig, man muss auch entsprechend handeln.

Die Aufklärungsquote solcher Taten ist beschämend niedrig: "Nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hat es in diesem Jahr bereits mehr als 60 Brandstiftungen mit einem möglichen fremdenfeindlichen Hintergrund gegeben, allein 37 seit Mitte Juli. Nur in zehn Fällen konnten Verdächtige ermittelt werden." [2] Die Täter gehen also ein relativ geringes Risiko ein, ermittelt zu werden. Erfahrungsgemäß hat aber eine hohe Aufklärungsquote eine abschreckende Wirkung. Es wird daher Zeit, dass zum Schutz von Flüchtlingsunterkünften mehr getan wird. Sich im Nachhinein zu empören, ist nicht genug. Die Täter müssen ein hohes Risiko eingehen, auf frischer Tat ertappt oder zumindest danach ermittelt zu werden. Die rechtlich mögliche Videoüberwachung kann dabei helfen.

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[1] MDR vom 04.10.2015
[2] NDR vom 17.09.2015