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31. Januar 2016, von Michael Schöfer
Die einen sind genauso doof wie die anderen


"Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen und erleichtern so dem Bürger Urteil und Entscheidung." (BVerfG, Urteil vom 05.08.1966) Man kann das Ganze auch kürzer formulieren: Pressefreiheit ist ein Störfaktor - aber ein zum Funktionieren der Demokratie unverzichtbarer. Oder noch prägnanter: "Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." (Rosa Luxemburg)

Manche haben mit der Pressefreiheit Probleme - vor allem dann, wenn sie selbst kritisiert werden. Doch in einer freien Gesellschaft müssen sich alle der Kritik stellen, sei diese subjektiv auch noch so unberechtigt. Das gilt selbstverständlich ohne jede Ausnahme. Getreu dem Motto George Orwells: "Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen." Gegen Kritik hilft schließlich die Macht des Gegenarguments. Ein absolutes No-Go ist jedoch Gewalt, sie darf in der Auseinandersetzung der unterschiedlichen Meinungen keine Rolle spielen, denn dann würde sich ja der Stärkere durchsetzen und nicht das bessere Argument.

Leider trägt die öffentliche Auseinandersetzung in Deutschland mehr und mehr hysterische Züge. Die Bereitschaft, seine Meinung mit Gewalt durchzusetzen, ist gewachsen. Das trifft übrigens auf Rechte wie auf Linke zu. Von religiösen Fanatikern ganz zu schweigen. Einige von denen, die die AfD (Alternative für Deutschland) - vermutlich zu Recht - als Bedrohung für die Pressefreiheit betrachten, reagieren selbst pressefeindlich. Man darf über das "Rheinneckarblog" und dessen Betreiber Hardy Prothmann durchaus geteilter Meinung sein, doch ihn wegen seiner Berichterstattung zu bedrohen, ist vollkommen inakzeptabel. Prothmann, der gerne nach allen Seiten austeilt (Neutralität entspricht bekanntlich den journalistischen Grundsätzen), hat sich zuletzt mit der Mannheimer Antifa angelegt. Und die goutiert weder das noch Prothmanns Berichterstattung über die AfD, dabei kommt der Blogger lediglich seiner Chronistenpflicht nach (umfassende Information).

Auf der Antifa-Website "linksunten.indymedia.org" wird Prothmann "ab sofort als Vogelfrei" [sic!] erklärt. "Jetzt ist das Maß endlich voll, Hardy Prothmann hat ab sofort keine Gnade mehr zu erwarten, dieser Volksverhetzer und Schmierenjournalist muss merken, dass er nicht so weiter machen kann." Das ist eine Drohung, die man keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen sollte. "Vogelfreie Menschen konnten ungestraft getötet werden", erläutert das freie Wörterbuch Wiktionary. Man kann den Beitrag auf "linksunten.indymedia.org" daher als Mordaufruf interpretieren. Das Kuriose ist: Die Verfasser, die sich als Antifaschisten bezeichnen und offensichtlich Nazis bekämpfen (sowie alles, was sie dafür halten), bedienen sich haargenau den gleichen verwerflichen Methoden. Das zeigt abermals, dass Links- und Rechtsextreme zumindest eines gemein haben: Die einen sind genauso doof wie die anderen.

Ob einem das "Rheinneckarblog" gefällt oder nicht, steht hier gar nicht zur Debatte, denn es geht um Grundsätzliches: Es geht um die Pressefreiheit, letztlich also um die Demokratie. Es geht in diesem Fall aber nicht zuletzt auch um die körperliche Unversehrtheit von Hardy Prothmann. Und natürlich ebenso um seine Freiheit, weiterhin ohne Einschränkung berichten oder kommentieren zu können. Wer Blogger bedroht, stellt sich faktisch mit Nazis auf eine Stufe. Wer unbequeme Journalisten beschimpft, verhält sich wie PEGIDA & Co. Stichwort: Lügenpresse. Man fragt sich schon, welches Staatsverständnis dem zugrundeliegt. Ein freiheitliches wohl kaum. Jede Gewalttätigkeit schadet obendrein der eigenen Glaubwürdigkeit, weil sie sich in nichts von der Gewalttätigkeit der Gegenseite unterscheidet. Die selbsternannten Antifaschisten erweisen damit allen Bemühungen, die Bevölkerung von der Gefährlichkeit der AfD zu überzeugen, einen Bärendienst. Ich fürchte jedoch, das werden diese Pharisäer nie begreifen.