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Archiv | Leserbriefe
| Impressum 11. Februar 2016, von Michael Schöfer Ist das der Debattenkultur zuträglich? Das Anprangern von Missständen ist begrüßenswert - zumindest solange man nicht selbst zu ihnen beiträgt. Anders ausgedrückt: Die Prinzipien, die ich lauthals einfordere, sollte ich auch selbst einhalten. Aber, ach, wir sind alle kleine Sünderlein. Minh Schredle, ein Redaktionsmitglied des Rheinneckarblogs, beklagt die zu wünschen übrig lassende Debattenkultur. "Immer hysterischer, immer polemischer, immer extremer", lautet die Überschrift seines Artikels. "Ich kann es niemandem verdenken, wenn er sich aktuell angewidert abwendet, weil der Umgangston in vielen Debatten so sehr von Feindseligkeit und Hass durchdrungen ist, dass fast jeder Versuch der sachlichen Auseinandersetzung von vornherein zum Scheitern verurteilt ist." [1] Das "Gezeter und Gekeife der Schreihälse und Demagogen" schrecke die Menschen ab, doch die Demokratie lebe schließlich von der Teilhabe. Meine uneingeschränkte Zustimmung, Herr Schredle! (Selbst wenn ich Frauke Petrys Äußerung für unsäglich halte.) [2] In einer Demokratie sollten Sachargumente ausgetauscht werden und Schmähungen von Andersdenkenden unterbleiben. Allerdings bin ich durchaus der Meinung, dass man jemanden, der sich beispielsweise rassistisch äußert, auch einen Rassisten nennen darf. Das ist dann aber keine Schmähung, sondern lediglich eine Feststellung. Womit wir bei den Feinheiten wären. Die Grenze zur Schmähung ist nämlich mitunter fließend, wie man als aufmerksamer Leser des Rheinneckarblogs weiß. Dass Hardy Prothmann den Mannheimer CDU-Kreisvorsitzenden Nikolas Löbel - wie ich es empfinde - etwas herablassend als "Nachwuchstalent" bezeichnet - geschenkt! [3] Auch dass er ihn "Chaotisator" [4] oder "Master of Desaster" [5] oder "Langzeitstudent mit Mini-Abschluss" [6] nennt, kann man im Meinungskampf gerade noch durchgehen lassen, wobei ich mir hier schon die Frage nach der journalistischen Distanz zu stellen erlaube. Aber welchen Beitrag zur Debattenkultur leistet das Rheinneckarblog eigentlich, wenn es die geneigten Leserinnen und Leser in einem Artikel darauf hinweist, dass der CDU-Politiker "sein jahrelanges Jura-Studium nicht bestanden und im vergangenen Jahr einen Bachelor-Abschluss im Fernstudium erlangt" habe? In demselben Artikel wird Löbel an anderer Stelle erneut als "gescheiterter Jura-Student und Fernstudium-Bachelor" bezeichnet. [7] Hat das etwas mit Sachkritik zu tun? Steht da noch die Information im Vordergrund? Oder soll der zweifache Hinweis auf die angeblich zu bemängelnde berufliche Vita nicht vielmehr bloß die Person diskreditieren? Das Gleiche verkündet Prothmann über den grünen Landtagsabgeordneten Alexander Salomon, der sei "'beruflich' ein abgebrochener Jura-Student". Dass Salomon sein Jura-Studium abgebrochen bzw. nicht beendet habe, wird allein in diesem Artikel erstaunlicherweise fünfmal (!) erwähnt. [8] Was soll das? Vor allem bei einem Blog mit journalistischem Anspruch! Ebenfalls kein Geheimnis: Hardy Prothmann ist auf Gerhard Fontagnier (Grüne) nicht gut zu sprechen, für ihn ist Fontagnier ein "Nazigator" [9] oder - noch drastischer - ein "skrupelloser Geselle" [10]. Und geht die Frage "Grüner Spaltpilz Fontagnier – Einzelextremist oder Teil des grünen Systems?" [11] nicht über die Grenzen des journalistisch Zulässigen hinaus? Jedenfalls kein guter Stil, wie ich meine. Wobei ich abschließend erwähnen möchte, dass ich weder für Nikolas Löbel noch für Alexander Salomon oder Gerhard Fontagnier besondere Sympathien hege. Zudem möchte ich den Rheinneckarblog nicht mehr missen, wenngleich ich nicht mit allem einverstanden bin (so ist das eben in einer pluralistischen Gesellschaft). Aber ich frage mich ernsthaft, ob der doch häufig sehr ins Persönliche gehende Stil von Hardy Prothmann der Debattenkultur wirklich zuträglich ist. Vielleicht sollte er sich einmal mit Minh Schredle unterhalten. ---------- [1] Rheinneckarblog vom 11.02.2016 [2] siehe Kein Schießbefehl, bloß Schusswaffengebrauch vom 30.01.2016 [3] Rheinneckarblog vom 07.05.2015 [4] Rheinneckarblog vom 30.05.2015 [5] Rheinneckarblog vom 21.05.2015 [6] Rheinneckarblog vom 07.05.2015 [7] Rheinneckarblog vom 22.04.2015 [8] Rheinneckarblog vom 17.04.2015 [9] Rheinneckarblog vom 23.06.2015 [10] Rheinneckarblog vom 20.01.2016 [11] Rheinneckarblog vom 04.02.2016 |