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19. Februar 2016, von Michael Schöfer
Brexit? Wenn ihr das wirklich wollt - gerne!


Der britische Premier David Cameron pokert hoch - und hoffentlich verkalkuliert er sich, wir haben nämlich diese ständigen Erpressungen satt bis obenhin. Wer mit anderen gemeinsam in einem Haus lebt, darf nicht bloß zu den Mahlzeiten erscheinen, sondern sollte zum Beispiel auch die Toilette putzen. Wenigstens gelegentlich. Anders ausgedrückt: Niemand kann nur Vorteile einheimsen, solange er sich bei den unangenehmen Dingen vornehm zurückhält, denn das wäre unsolidarisch. Und die Briten drücken sich schon viel zu lange.

Bereits 1984 handelte die damalige Premierministerin Maggie Thatcher ("I want my money back!") den sogenannten Briten-Rabatt aus. Reine Rosinenpickerei. Seitdem zahlt Großbritannien weniger Beiträge in den EU-Haushalt ein, als es seiner Wirtschaftskraft angemessen wäre. Schengen-Raum? "Nicht mit uns", sagen die Briten. Gemeinsame Asylpolitik? "Nicht mit uns", sagen die Briten. Europäische Armee? "Nicht mit uns", sagen die Briten. Das Gleiche gilt mit Blick auf den Euro und hinsichtlich des Fiskalpakts. "Nicht mit uns!" Jetzt also auch noch die Ausnahmen, die Cameron aushandeln will, um das Land in der EU zu halten. Schließlich hat er seinen Bürgern eine Volksabstimmung über den Verbleib in der EU zugesagt. Was wohl den Nachfolgern Camerons noch alles einfallen mag?

Nein, es reicht! Entweder Großbritannien macht mit, und das zu den Konditionen der anderen, oder es muss gehen. Reisende soll man bekanntlich nicht aufhalten. Geht doch, wenn ihr unbedingt wollt. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt. "Schwerer Nebel über dem Ärmelkanal - Kontinent abgeschnitten", titelte die Times anno 1957. Charakteristisch für den britischen Snobismus. Doch die Zeiten, in denen sich die Briten für den Nabel der Welt halten durften, sind längst vorbei. 2014 gingen 44 Prozent der britischen Exporte in die EU, und 53 Prozent der Importe kamen von dort. [1] Ob die Briten das wirklich aufs Spiel setzen, bleibt abzuwarten. Eine Erpressung, die zu einer EU à la Carte führen würde, ist jedenfalls keine annehmbare Lösung. Wir sehen ja in der Flüchtlingsfrage, wohin es führt, wenn das Gemeinsame klein geschrieben wird. An diesem Egoismus droht die Europäische Gemeinschaft zugrunde zu gehen. Es ist Zeit umzudenken.

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[1] FAZ.Net vom 17.02.2016