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11. März 2016, von Michael Schöfer
Donald Albtrump


Allzu viele Chancen, den Polterer Donald Trump vom Präsidentenamt fernzuhalten, wird es nicht mehr geben. Das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner könnte nämlich schon nächste Woche eine Vorentscheidung bringen. Gegenwärtig hat Trump 458 Delegiertenstimmen, für den Zieldurchlauf braucht er 1.237. [1] Sein hartnäckigster Konkurrent, der Tea-Party-Hardliner Ted Cruz, hat bislang 99 Delegierte weniger aufzuweisen. Der Abstand zu Marco Rubio beträgt bereits 307 Delegierte, und John Kasich kann man eigentlich vergessen.

Am 15. März stehen die Vorwahlen in Florida (99 zu vergebende Delegierte), Illinois (69), Missouri (52), North Carolina (72) und Ohio (66) an. Und die finden obendrein mit einer Besonderheit statt, die es nur bei der Grand Old Party gibt: In Florida und Ohio bekommt der Sieger alle (The winner take all-Prinzip), in Illinois die meisten Delegierten. Gewinnt Trump, und er liegt laut Umfragen sowohl in Florida als auch in Illinois in Führung, könnte er demzufolge an diesem Tag mit einem Schlag fast 300 Delegiertenstimmen einsammeln, während seine Widersacher überwiegend leer ausgingen.

Danach hätte Trump schon mehr als die Hälfte der für die Kandidatur notwendigen Delegierten auf seinem Konto stehen. Die größten Batzen auf dem Weg dahin sind dann bloß noch die Bundesstaaten New York (19. April, 95 zu vergebende Delegierte), Pennsylvania (26. April, 71) und Kalifornien (7. Juni, 172). Die müssten Ted Cruz oder Marco Rubio, falls beide bis dahin überhaupt noch im Rennen sind, unbedingt gewinnen, um den blonden Demagogen vielleicht kurz vor der Ziellinie abzufangen. New York ist freilich Trumps Heimatstaat. Kurzum, falls der Milliardär nächste Woche siegen sollte, dürfte das Rennen bei den Republikanern wahrscheinlich gelaufen sein. Am schwierigsten wäre es für ihn, wenn er nur noch einen Gegenkandidaten hätte, aber diese Variante ist lediglich die berühmt-berüchtigte Wahl zwischen Pest (Trump) und Cholera (Cruz).

Die letzte Chance, Donald Trump vom Weißen Haus fernzuhalten, ist dann schon die Präsidentschaftswahl am 8. November 2016, bei der er vermutlich auf Hillary Clinton treffen wird (die Kandidatur von Bernie Sanders wäre eine faustdicke Überraschung, er liegt allerdings bis dato gut im Rennen). Wie dem auch sei, jedenfalls würde Trump Umfragen zufolge gegen Clinton mit 44 zu 52 Prozent und gegen Sanders mit 43 zu 55 Prozent verlieren. [2] Kurioserweise hätten Cruz (49 zu 48 %) und Rubio (50 zu 47 %) gegen Clinton durchaus Siegchancen, während Sanders auch gegen diese beiden gewinnen würde. Anders ausgedrückt: Bernie Sanders ist beim Wahlvolk der eigentliche Favorit, kann sich aber bei den Demokraten aller Voraussicht nach nicht gegen Clinton durchsetzen. Daran sieht man, wie unterschiedlich offenbar Parteimitglieder und die amerikanischen Wählerinnen und Wähler ticken. [3] Möglicherweise spiegeln aber auch die Umfragen nicht die ganze Wahrheit wider.

Außerdem gibt es nach wie vor viele Unwägbarkeiten. Hillary Clinton hat bekanntlich die E-Mail-Affäre am Hals, in dieser Sache ermittelt noch das FBI. Mündet die juristische Untersuchung in eine Anklage, wäre das ein herber Rückschlag für die Demokratin. Unter Umständen droht ihr dann sogar das Aus. Donald Trump wiederum ist ein politisches Chamäleon. Nicht auszuschließen, dass er im direkten Duell mit Clinton oder Sanders plötzlich einen auf seriös macht und versucht, betont staatsmännisch aufzutreten. Das könnte seine Reputation beim Wahlvolk erhöhen. Bis zum Wahltag kann sich also noch einiges ändern. Dennoch mag man sich kaum ausmalen, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten könnte wirklich Donald Trump heißen. Das wäre zweifellos ein Donald Albtrump (Albtraum).

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[1] New York Times, 2016 Primary Results and Calendar
[2] Spiegel-Online vom 01.03.2016
[3] Das Wahlsystem der USA ist kompliziert: Bei "caucuses " (Versammlungen) stimmen nur Parteimitglieder oder registrierte Parteianhänger ab, bei "open primaries" (offenen Vorwahlen) dürfen unabhängig von der Parteizugehörigkeit alle Wahlberechtigten eines Bundesstaates abstimmen, bei "closed primaries" (geschlossenen Vorwahlen) müssen sie sich jedoch ausdrücklich zu einer Partei bekennen. Knapp die Hälfte der Bundesstaaten führen "closed primaries/caucuses" durch, es existieren aber auch Mischformen.