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28. April 2016, von Michael Schöfer
Beamtenbund steht vor den Trümmern seiner Voreingenommenheit


Zum Betrug gehören immer zwei: Einer der betrügt. Und einer, der sich betrügen lässt. Letzterer kommt sich dann im Nachhinein oft ziemlich dämlich vor, weil er auf irgendeine saudumme Masche hereingefallen ist. Hinterher fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: "Wie konnte ich bloß so blöd sein?" Und häufig ist es nicht die Zornesröte, die das Gesicht verfärbt, sondern die Schamesröte über die eigene Blödheit. Ungefähr so müssen sich jetzt die Mitglieder des Deutschen Beamtenbundes (dbb) vorkommen. Genau besehen ist der dbb aber kein naives Opfer gerissener Betrüger geworden, er hat vielmehr die Grube, in die er jetzt hineinzustürzen droht, willentlich mit ausgehoben.

Laut Satzung ist der dbb "parteipolitisch unabhängig", gleichwohl kann man ihm durchaus eine gewisse Nähe zur CDU attestieren. Viele führende Mitglieder des dbb sind zugleich Mitglied der Union. Und so war es zwar formal nicht in Ordnung, aber im Grunde wenig verwunderlich, dass im dbb und seinen Mitgliedsgewerkschaften vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg ordentlich für die Christdemokraten getrommelt wurde. Grün-Rot hingegen erklärte man sozusagen zum Feindbild. Man wünschte die Grünen zwar nicht geradewegs zum Teufel, aber zumindest zurück auf die harte Oppositionsbank. Zwischen dem konservativen Beamtenbund und der Landesregierung von Winfried Kretschmann gab es - gelinde gesagt - heftige Kommunikationsstörungen. Die Abneigung war mit den Händen zu greifen.

Ganz anders als bei der CDU. Dankbar nahm diese die Gelegenheit wahr, ihre Wahlversprechen unter den Mitgliedern des Gewerkschaftsdachverbandes auszustreuen: "Wenige Wochen vor der Landtagswahl empfiehlt sich CDU als verlässlicher Partner", las man etwa im Januar in der Mitgliederzeitung des Beamtenbundes Baden-Württemberg (BBW). [1] "CDU-Landeschef Thomas Strobl warb für seine Partei mit Verlässlichkeit. Er versprach, dass es mit einer CDU in Regierungsverantwortung wieder eine verbindliche Vereinbarung mit dem BBW geben werde. Die Verantwortlichen der CDU seien sich bewusst, dass der Staat in die Attraktivität des öffentlichen Dienstes investieren müsse, um qualifizierte Fachkräfte für den öffentlichen Dienst zu gewinnen und um vorhandenes Personal langfristig zu binden. (…) Zu einem öffentlichen Dienst, der für Berufsanfänger attraktiv ist, gehört auch eine aufgabenadäquate Bezahlung." Strobl sei sich im Übrigen mit CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf einig, "dass in wirtschaftlich guten Zeiten wie diesen die Kürzung der Eingangsbesoldung zurückgefahren werden muss."

BBW-Chef Volker Stich listete bei der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg in Berlin auf, was er von der "neuen Landesregierung" erwartet. Er zeigte damit kaum verklausuliert seine Präferenzen, denn zum einen musste die "neue Landesregierung" zu diesem Zeitpunkt (25.01.2016) ja erst noch gewählt werden, und zum anderen war die CDU damals lediglich Oppositionspartei. Es ist schon recht merkwürdig, einer Oppositionspartei detailliert darzulegen, was man von der "neuen" Landesregierung erwartet, wenn man noch gar nicht weiß, ob es überhaupt eine neue Landesregierung gibt. Wahrscheinlich war hier der Wunsch der Vater des Gedankens. Wer das so interpretiert, liegt vermutlich richtig.

Es geht noch weiter: Laut BBW-Magazin vom März versprach CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf dem Beamtenbund bei einer Podiumsdiskussion sogar "ein Bündnis für mehrere Jahre". Jetzt räche sich der Personalabbau der vergangenen Jahre, sagte Wolf. Der SPD dagegen hielt der BBW in der gleichen Ausgabe Wortbruch vor: "Rücknahme der abgesenkten Eingangsbesoldung - Zusage überdauerte keinen Tag." [2] Die Grünen waren übrigens vorsichtiger und hielten sich mit lauthals vorgetragenen Wahlversprechen zurück. Ob der dbb das rückblickend zu schätzen weiß, ist trotzdem fraglich.

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, engagierte sich im "Ländle" für die CDU und trat mehrfach öffentlich bei ihr auf. Nicht als Privatmann, nicht als CDU-Mitglied, sondern als Gewerkschaftsvorsitzender. SPD- und Grüne-Anhänger innerhalb seiner Organisation stieß er damit vor den Kopf. Aber das war ihm offenkundig egal. Obgleich offiziell ebenfalls "parteipolitisch neutral und unabhängig", machte auch der baden-württembergische DPolG-Landesverband unverhohlen Werbung für Schwarz-Gelb. In der März-Ausgabe der Mitgliederzeitung (Landesteil BW) stand beispielsweise auf Seite 2: "Im Gespräch: DPolG mit dem Spitzenkandidaten und Fraktionsvorsitzenden der FDP, Dr. Hans-Ulrich Rülke, und dem FDP-Landesvorsitzenden Michael Theurer." Und auf Seite 3: "Im Gespräch: Die DPolG mit dem Spitzenkandidaten und Fraktionsvorsitzenden der CDU, Guido Wolf, und CDU-Sprecher Thomas Blenke." [3] Grün-Rot? Kommt höchstens am Rande zu Wort. Und das, wohlgemerkt, alles kurz vor der Landtagswahl (13.03.2016). Zufälle gibt’s... Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Der BBW und die DPolG werden ihren Mitgliedern wohl erklären müssen, warum sie im Wahlkampf die eigentlich vorgeschriebene parteipolitische Neutralität aufgegeben haben. Zumal die Rache gleich auf dem Fuße folgte, denn nach der Wahl handelt die CDU plötzlich - oh Wunder! - ganz anders als vor der Wahl versprochen. Bei den Koalitionsverhandlungen kommt jetzt nämlich peu à peu ans Tageslicht: Grün-Schwarz will Milliarden sparen. Wo? Natürlich bei den Beamten. Die Koalitionspartner in spe kündigen Einsparungen beim Landespersonal an, man komme um Stelleneinsparungen nicht herum, behaupten sie. Obendrein sollen die Gehaltserhöhungen für die 240.000 Beamten laut Medienberichten in den nächsten Jahren - unabhängig vom Tarifergebnis 2017 - bei einem Prozent gedeckelt werden. "Auch eine Kürzung der Pensionen für künftige Beamte steht im Raum. (…) Unklar ist, ob die abgesenkte Eingangsbesoldung von jungen Beamten rückgängig gemacht wird." [4]

BBW-Chef Volker Stich spricht bereits erzürnt von "einer Missachtung der Beamtenschaft". [5] Die DPolG Baden-Württemberg echauffiert sich ebenfalls und warnt die neue Landesregierung vor einem "Bruch mit dem Öffentlichen Dienst". "Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), mitgliederstärkste Einzelgewerkschaft im BBW-Beamtenbund Tarifunion Baden-Württemberg, ist angesichts der bekanntgewordenen Pläne der künftigen Landesregierung, erneut die Beamten zum Stopfen von Haushaltslöchern heranzuziehen, nicht minder empört als ihr großer Dachverband." Ernüchtert stellt sie fest, "dass vor den Wahlen gegebene definitive Zusagen und Wahlversprechen der Parteien, offenbar nicht einmal die überschaubare Zeit zwischen Wahltag und Zustandekommen eines Koalitionsvertrags überdauern sollen". [6] Enttäusche Liebe ist bekanntlich am bittersten.

Jetzt rächt sich der Kuschelkurs mit der CDU. Jetzt rächt es sich, für die CDU Wahlkampf gemacht zu haben. Eine Gewerkschaft sollte nicht bloß pro forma parteipolitisch neutral sein, sondern auch tatsächlich. "Ein guter Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten", lautete das Credo der Tagesthemen-Legende Hanns Joachim Friedrichs. Übertragen auf Gewerkschafter heißt das: Man darf sich nie mit einer Partei gemein machen, selbst wenn man dort seine politische Heimat hat. Oberste Maxime ist, durchgehend die kritische Distanz zu wahren. Wohin es führt, wenn man solche Grundsätze missachtet, erkennt nun der von der CDU düpierte Beamtenbund. Belämmert steht er vor einem Scherbenhaufen. Übrigens etwas, für das es keine hellseherischen Fähigkeiten bedurft hätte. So ist eben die Politik: Wer sich auf Zusagen verlässt, ist verlassen.

Offenbar hatten jedoch beim BBW viele die Gewerkschaftsbrille mit der Parteibrille vertauscht. Wer so haarsträubend agiert, müsste eigentlich zurücktreten. Jetzt so zu tun, als sei man von der CDU vorsätzlich getäuscht worden, gleicht eher der "Haltet-den-Dieb"-Masche. Immerhin haben die konservativen Gewerkschafter kräftig dabei mitgeholfen, die CDU wieder in die Regierung zu hieven, wenngleich der ursprüngliche Wunsch (Schwarz-Gelb) nicht in Erfüllung ging. Ob es dann besser geworden wäre, wage ich zu bezweifeln. Der Beamtenbund steht nun jedenfalls vor den Trümmern seiner eigenen Voreingenommenheit. Oder soll man Inkompetenz sagen? In jeder einigermaßen funktionierenden Organisation gäbe es einen Sturm der Entrüstung. Nicht nach außen, sondern einen gegen die eigenen Funktionäre. Bislang ist davon allerdings nichts zu spüren.

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[1] BBW-Magazin, Januar/Februar 2016, Seite 4, PDF-Datei mit 730 kb
[2] BBW-Magazin, März 2016, Seite 4f, PDF-Datei mit 809 kb
[3] Polizeispiegel, März 2016, PDF-Datei mit 4,2 MB
[4] Stuttgarter Nachrichten vom 26.04.2016
[5] SWR vom 27.04.2016
[6] DPolG, Landesverband Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 27.04.2016