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04. August 2016, von Michael Schöfer
Risiko Finanzanlage


Die Menschen sollen mehr für die eigene Altersvorsorge tun, heißt es allenthalben. Und in diesem Zusammenhang, Sparen lohnt sich ja angeblich nicht mehr, werden gerne Aktien respektive Aktienfonds empfohlen. Dass diese nicht unbedingt besser sind, erleben momentan die Beamten. Bayerns Finanzminister Markus Söder fordert von VW bis zu 700.000 Euro Schadenersatz für Kursverluste durch die Dieselaffäre. Hintergrund: Der bayerische Pensionsfonds hatte in VW-Aktien investiert, die nun aber weniger wert sind. Auch Baden-Württemberg ist von der Betrugsaffäre betroffen, nach Zeitungsberichten sollen Ende Mai VW-Vorzugsaktien im Wert von 9,325 Mio. Euro im Depot des Versorgungsfonds des Landes Baden-Württemberg gelegen haben. [1]

Dürfen die das, Pensionsrücklagen in Risikopapiere stecken? Ja! § 3 des VersFondsG sagt: "Das Finanzministerium verwaltet das Sondervermögen. Die Verwaltung der Mittel des Sondervermögens kann das Finanzministerium auf Dritte übertragen. Die dem Sondervermögen zufließenden Mittel einschließlich der Erträge sind sicherheits- und ertragsorientiert anzulegen. Dabei können bis zu 50 Prozent der dem Sondervermögen zugeführten Mittel in Aktien angelegt werden. Das Finanzministerium erlässt Anlagerichtlinien." Baden-Württemberg prüft derzeit, ob das Land ebenfalls Klage gegen den Wolfsburger Autobauer einreicht.

Der Aktienmarkt ist naturgemäß volatil, Gewinne und Verluste sind eben zwei Seiten derselben Medaille. Wenn man bloß Gewinne einfahren will, sollte man von marktabhängigen Wertpapieren die Finger weglassen. Doch noch gibt es keinen Anlass zur Panik, denn Kursrückgänge stehen zunächst nur als Buchverluste auf dem Papier. Gewinne oder Verluste werden bekanntlich erst dann realisiert, wenn man Aktien verkauft. Solange sie nur im Depot liegen, passiert gar nichts. Und bis zum Verkauf könnte der Kurs ja längst wieder gestiegen sein. Die eigentliche Frage ist, ob das Land die Pensionsansprüche seiner Beamten überhaupt von schwankenden Aktienmärkten abhängig machen soll. Gerade in Krisenzeiten, wie wir sie seit dem Finanzcrash 2007/2008 erleben, wächst das Risikobewusstsein. Oder sagen wir: Sollte es gewachsen sein.

Apropos Krise, die Finanzwelt ist schon verrückt geworden, denn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verdient beim Schuldenmachen neuerdings sogar Geld. Bei Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren zahlen die Geldgeber dem Staat nämlich eine Prämie, dass er sich bei ihnen verschuldet. Konkret sieht das so aus: Anleger zahlen für eine Staatsanleihe 105 Prozent, bekommen aber nach Ablauf der Frist lediglich 100 Prozent zurückgezahlt. Wenn ich Bundesfinanzminister wäre, würde ich jetzt ausgiebig Schulden machen, das Geld zehn Jahre lang in den Tresor legen und anschließend zurückzahlen. Eine risikolosere Art, sich zu entschulden, gibt es nicht. Dennoch, dass dieser Widersinn möglich ist, muss uns zu denken geben. Die Welt scheint auch diesbezüglich aus den Fugen geraten zu sein, alte ökonomische Gewissheiten sind offenbar obsolet.

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[1] Badische Zeitung vom 02.08.2016