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09. Dezember 2016, von Michael Schöfer
So wird’s bestimmt nicht besser


Man darf in Bezug auf die doppelte Staatsangehörigkeit durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Die Befürworter sagen, der Doppelpass diene der Integration der bei uns lebenden Ausländer, die Gegner halten ihn freilich für das genaue Gegenteil, er sei ein Integrationshindernis. Darum soll es hier jedoch nicht gehen, sondern vielmehr um den Umgang der CDU-Parteispitze mit der gerade parteiintern beschlossenen Abkehr vom Doppelpass.

Der CDU-Bundesparteitag (06./07.12.2016) stimmte mit knapper Mehrheit dafür, "dass sich dauerhaft in Deutschland lebende Menschen mit Zuwanderungsgeschichte klar für oder gegen die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden" sollen. Die CDU spricht sich deshalb "für die Abschaffung der Befreiung von der Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder von ausländischen Eltern aus. Die doppelte Staatsbürgerschaft soll eine geringe Ausnahme bleiben." [1] Die Delegierten wollen damit zur Rechtslage vor 2014 zurückkehren, die Parteispitze ist allerdings gegen die Abschaffung der Optionspflicht. Bundeskanzlerin Merkel hat angekündigt, den Beschluss kurzerhand zu ignorieren. "Es wird in dieser Legislaturperiode keine Änderung geben. Ich glaube auch nicht, dass wir einen Wahlkampf über den Doppelpass machen, wie wir das früher mal gemacht haben." [2] Mag sein, dass die Umsetzung des Parteitagsbeschlusses am Koalitionspartner scheitert. Doch dass ihn Merkel missachtet, halte ich für bedenklich.

Um Trugschlüssen vorzubeugen: Inhaltlich bin ich ganz auf ihrer Linie, denn die doppelte Staatsangehörigkeit ist in meinen Augen für die Ausländer-Integration förderlich. In puncto Demokratieverständnis ist Merkels Weigerung m.E. jedoch höchst fragwürdig. Wenn eine Partei auf ihrem Bundesparteitag die Abkehr vom Doppelpass beschließt, dann müsste die Parteivorsitzende diesen Beschluss eigentlich auch nach außen vertreten. Ob sie ihn befürwortet oder nicht, ist vollkommen irrelevant, denn Mehrheit ist eben Mehrheit. Dasselbe gilt für den Wahlkampf im nächsten Jahr. Wenn ohnehin bloß der Wille der Parteiführung gilt, egal was die Delegierten beschließen, kann man auf Parteitage gleich ganz verzichten. Wozu braucht es dann noch die demokratische Fassade?

Wir erinnern uns ja noch gut daran, wie Gerhard Schröder einst die Beschlüsse der SPD missachtete. Etwas, worunter sie bis heute leidet. Erst kürzlich hat Winfried Kretschmann (Grüne) angekündigt, dass er sich nicht an die mit großer Mehrheit gefassten Beschlüsse seiner Partei zur Einführung der Vermögensteuer und einer "Superreichen-Steuer" gebunden fühlt. Und jetzt handelt Angela Merkel genauso. Das erzeugt nicht bloß Frust bei den Parteimitgliedern, auch die Wählerinnen und Wähler dürften sich düpiert fühlen. Durch solche Manöver nimmt die Politikerverdrossenheit sehr wahrscheinlich weiter zu. Notwendig wäre hingegen, sie peu à peu abzubauen. Durch Ehrlichkeit, durch Berechenbarkeit. Selbstverständlich bleibt es Merkel unbenommen, den Parteitagsbeschluss für unklug zu halten. Gleichwohl hat sie als Parteivorsitzende hinter ihrer persönlichen Überzeugung zurückzustehen und den Willen der Partei umzusetzen. Andernfalls hätte sie das falsche Amt. So, wie sie es derzeit macht, wird’s für die CDU bestimmt nicht besser - eher schlechter.

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[1] CDU, Ausgewählte Beschlüsse des Parteitages
[2] Süddeutsche vom 07.10.2016