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05. Januar 2017, von Michael Schöfer
Werbe- und Scriptblocker sind reine Notwehr


Die Verwendung eines Werbeblockers wie "Adblock Plus" und die eines Script-Blockers wie "NoScript" ist die reine Notwehr - auch wenn einige Zeitungsseiten mittlerweile den User aussperren, sofern er einen Werbeblocker verwendet (etwa das Handelsblatt oder der Mannheimer Morgen). Dass Verlage mithilfe von Online-Werbung Einnahmen erwirtschaften wollen, ist ja verständlich. Aber warum muss Werbung so aufdringlich sein? Wenn man etwa auf Welt-Online einen Artikel lesen will, startet oft automatisch ein Video, dessen Ton dann natürlich beim Lesen stark stört. Ob Springer-Chef Mathias Döpfner bei der morgendlichen Zeitungslektüre parallel Radioreportagen hört, wage ich zu bezweifeln. Auch er wird sich vermutlich auf eines von beiden konzentrieren wollen. Warum sich diese Unsitte dennoch auf Welt-Online breit macht, erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht.

Auf der Website einer Fernsehzeitschrift verdeckte kürzlich die nicht wegklickbare (!) Werbung für den Eurojackpot die gewünschte Information. Was soll das? Ist der - aus der Sicht der User - eigentlich wichtige Content nur noch Nebensache? Die Verlage schneiden sich doch mit dieser Strategie bloß ins eigene Fleisch. Die Welt hatte laut der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) im November 2015 noch 50.069.780 Zugriffe (online), im November 2016 waren es nur 43.959.698 - ein Verlust von 12,2 Prozent. Bei den Zugriffszahlen von Mobilgeräten war ein gegenläufiger Trend erkennbar: Zugriffe auf Die Welt im November 2015 37.155.464 und im November 2016 44.982.155 - ein Plus von 21 Prozent.

Vielleicht der kleine, aber ausschlaggebende Unterschied: Online, also beim Zugriff über einen normalen PC, startet beispielsweise beim Artikel "May schickt den Meister des 'Chamäleonismus' nach Brüssel" [1] ungefragt das Video - beim Zugriff mit einem Mobilgerät jedoch nur, wenn man es bewusst anklickt. Die Video-Funktion "Autoplay" lässt sich zwar abschalten, die Einstellung geht aber beim Löschen der Browserdaten wieder verloren. Einfache Lösung: aktiviertes NoScript erhöht nicht bloß die Sicherheit, sondern verhindert auch das Abspielen von Videos. Ob Döpfners Digitalstrategie, die dem Axel Springer-Konzern im Jahr 2014 eine Steigerung beim Umsatz und Gewinn brachte, auch langfristig aufgeht, muss sich also erst noch zeigen. Vergraulen die Verlage die User durch aggressive Werbung, könnte der Schuss schnell nach hinten losgehen, denn im Internet ist die Konkurrenz
bekanntlich nur einen Klick entfernt.

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[1] Die Welt-Online vom 05.01.2017