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08. Mai 2017, von Michael Schöfer
Kein Glück im Glückstein-Quartier

Die Misere auf dem Wohnungsmarkt wird in Mannheim an den zum Verkauf stehenden Wohnungen im sogenannten "Glückstein-Quartier" deutlich. Das Glückstein-Quartier ist ein 32 ha großes Areal direkt am Hauptbahnhof, in dem nach und nach neue Gewerbeeinheiten, Büros und Wohnungen entstehen. Städtebaulich gewiss von Reiz, jedoch nichts für den Geldbeutel von Durchschnittsverdienern, denn gebaut werden wieder einmal - wie so oft - "hochwertige" Eigentumswohnungen.

Beispiel Bauabschnitt "Glückstein V": Die teuerste Wohnung ist derzeit laut Immobilienscout24 eine 189 qm große 4-Zimmer-Wohung für 1.091.500 €, die billigste eine 127 qm große 4-Zimmer-Wohnung für 615.200 €. Der Stellplatz fürs Auto kostet noch einmal 20.000 € obendrauf. Nehmen wir an, ein Käufer würde für seine Wohnung jeden Monat 1.000 € abbezahlen, dann bräuchte er für die teuerste Wohnung 93 Jahre und für die billigste 53 Jahre. Wir reden hier wohlgemerkt bloß über die Tilgung, die Zinsen für den Kredit sind in dieser theoretischen Beispielrechnung noch gar nicht enthalten.

Aber so laufen Baufinanzierungen in der Praxis ja nicht ab. Angenommen, der Käufer der teuersten Wohnung bringt wie üblich 20 % des Kaufpreises als Eigenkapital mit, dann verbleiben als Darlehensbetrag 889.200 €. Bei einer 2,5-prozentigen Tilgung und einem Bauzins in Höhe von 2,5 % (Zinsbindung 30 Jahre) müsste er dem Sparkassen-Bauzinsrechner zufolge über die gesamte Laufzeit hinweg jeden Monat 3.705,00 € zahlen, um zu guter Letzt im Jahr 2045 endlich schuldenfrei zu sein. Bei der billigsten Wohnung wären es monatlich 2.117,33 €. Hinzu kommen natürlich anfangs noch die von ihrem Umfang her keineswegs zu vernachlässigenden Kaufnebenkosten: 5 % Grunderwerbsteuer (55.575 € bzw. 31.760 €) sowie Notar- und Grundbuchgebühren (ca. 10.000 € bzw. 6.000 €). Da die Wohnungen direkt vom Bauträger erworben werden, entfällt zumindest die Maklerprovision. In Baden-Württemberg sind 3,57 % marktüblich, das wären demzufolge fast 40.000 € bzw. 23.000 € gewesen.

Hier noch einmal eine kurze Übersicht:

Wohnung A
Kaufpreis: 1,11 Mio. € (inkl. Stellplatz)
mitzubringendes Eigenkapital: 222.300 €
Kaufnebenkosten: ca. 66.000 €
monatliche Kreditrate über 27 Jahre und 10 Monate hinweg: 3.705 €

Wohnung B
Kaufpreis: 635.200 € (inkl. Stellplatz)
mitzubringendes Eigenkapital: 127.040 €
Kaufnebenkosten: ca. 38.000 €
monatliche Kreditrate über 27 Jahre und 10 Monate hinweg: 2.117,33 €

Nun ist das Glückstein-Quartier vielleicht ein unpassendes Beispiel, weil es von Anfang an ein Angebot im Hochpreissegment sein sollte. Allerdings muss man in Mannheim günstige Neubauwohnungen generell mit der Lupe suchen, man wird nämlich kaum eine bezahlbare finden. Jedenfalls für Durchschnittsverdiener. Das durchschnittliche Bruttoarbeitsentgelt eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers betrug Ende 2016 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 3.703 € (Produzierendes Gewerbe und Dienstleistungsbereich), bei einem Ledigen (konfessionslos, 1,1 % Krankenkassenzusatzbeitrag) sind das laut dem Gehaltsrechner der Süddeutschen Zeitung netto 2.276,53 €. Sogar DINKS (Double Income no Kids), die beide ein Durchschnittsgehalt beziehen, hätten ordentlich zu kämpfen. Mit Steuerklasse III (Verheiratete) würde jeder netto 2.576,42 € verdienen, zusammen demnach 5.152,84 €. Inklusive Nebenkosten (Hausgeld, Strom, Wasser etc.) beträgt die monatliche Finanzierungslast bei der teuren Wohnung bestimmt über 4.000 €, bei der billigeren Wohnung ungefähr das Nettogehalt eines Ehepartners (steuerliche Aspekte der Wohnung lasse ich hier einmal außer Acht). Viel Erfolg bei der Wohnungssuche, kann man da nur wünschen. Keine allzu gewagte Prognose: Dieser Personenkreis wird damit im Glückstein-Quartier vermutlich wenig Glück haben.

Die zentrale Frage ist jedoch: Was tut eigentlich die Politik dafür, dass Wohnungen auch für den Durchschnittsverdiener wieder erschwinglich werden? Zwar wird nicht jeder eine Wohnung kaufen können oder wollen, aber selbst Mietwohnungen sind verdammt teuer geworden. Darauf habe ich ja erst vor ein paar Tagen hingewiesen. [1] So wie es derzeit aussieht, hat sie darauf noch keine Antwort gefunden. Dass die Menschen angesichts dessen von den etablierten Parteien enttäuscht sind, kann ich gut nachvollziehen.

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[1] siehe Die CDU bleibt eine Partei der Haus- und Grundbesitzer vom 03.05.2017