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06. Dezember 2017, von Michael Schöfer
Trump missachtet das Völkerrecht


Mit der Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem erkenne US-Präsident Donald Trump nur die historische Realität an, heißt es. Sofern sich das auf West-Jerusalem beschränken würde, könnte man dem vielleicht beipflichten. Allerdings würde Trump schon allein damit die UN-Resolution 478 missachten, die der UN-Sicherheitsrat am 20.08.1980 verabschiedet hat. In ihr wurde die Annexion Ost-Jerusalems durch Israel für nichtig erklärt. Die UN-Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, ihre diplomatischen Vertretungen bis zum Abzug Israels aus Ost-Jerusalem aus Jerusalem abzuziehen. Bereits in der UN-Resolution 476 vom 30.06.1980 hat der UN-Sicherheitsrat bekräftigt, dass der gewaltsame Erwerb von Hoheitsgebieten unzulässig ist (dieser Grundsatz des Völkerrechts gilt übrigens generell, also nicht bloß in Bezug auf Ost-Jerusalem). Alle legislativen und administrativen Maßnahmen und Aktionen der Besatzungsmacht Israel, die eine Veränderung des Charakters und des Status von Jerusalem zum Ziel haben, besitzen keinerlei Rechtsgültigkeit. Alle Maßnahmen, die den geographischen, demographischen und historischen Charakter und Status von Jerusalem verändert haben oder verändern sollen, sind null und nichtig und müssen rückgängig gemacht werden. Völkerrechtlich gesehen ist der Status von Jerusalem bis zu einer endgültigen Regelung ungeklärt.

Wer die Annexion von Ost-Jerusalem oder möglicherweise irgendwann sogar des gesamten Westjordanlandes billigt, muss konsequenterweise auch die Annexion der Krim durch Russland akzeptieren. Im Umkehrschluss heißt das: Wer die Annexion der Krim - zu Recht - als völkerrechtswidrig bezeichnet, muss daher auch Israel kritisieren. Daraus folgt: Russland ist auf der Krim Besatzungsmacht und Israel in den 1967 im Sechs-Tage-Krieg eroberten Palästinensergebieten. Wer sich auf die Seite des Völkerrechts stellt, darf nicht den gleichen Sachverhalt unterschiedlich behandeln.