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26. November 2017, von Michael Schöfer
Siemens baut immer wieder um


Manchmal glaubt man ein Déjà-vu zu haben, dass einem eine Situation so bekannt vorkommt, als habe man sie schon einmal erlebt. Mir ging das bei Siemens so. Dass der Konzern trotz Milliardengewinnen weltweit 6.900 Arbeitsplätze streichen will, kam mir bekannt vor. Und tatsächlich, in der Frankfurter Rundschau vom 12.02.1997, also vor fast genau zwanzig Jahren, wurde über das Gleiche berichtet: In den neunziger Jahren hatte der Konzern seine Belegschaft stark ausgedünnt, und im Jahr 1997 sollten weitere 6.000 Stellen auf der Abschussliste stehen, was bei einem Rekordgewinn von damals beachtlichen 2,5 Mrd. DM auf Unverständnis stieß. So wie heute.

Nun sind Konzerne ständig im Umbau, es werden unentwegt unrentable Geschäftsfelder abgestoßen und neue - hoffentlich profitable - aufgebaut. Ein permanentes hin und her. Das betrifft natürlich auch die Belegschaft. Um es mit Joseph Schumpeter zu sagen: Hier wirkt die schöpferische Zerstörung. Keine Firma und keine Volkswirtschaft kann ohne diese strukturellen Änderungen gedeihen. Stehen bleiben, sich nicht weiterzuentwickeln, bedeutet faktisch zurückzufallen. Das ist, solange sich das Wirtschaftssystem nicht grundlegend ändert, kaum zu vermeiden. Bezeichnen wir es kurz gesagt als die dem Kapitalismus inhärente Logik.

Was man allerdings verlangen kann, ist, die strukturellen Änderungen in der Wirtschaft sozial abzufedern. Und das ist beileibe nicht bloß die Aufgabe des Staates, hier stehen auch die Unternehmen selbst in der Verantwortung. Wenn etwa das Geschäft mit Gasturbinen schlecht läuft, muss sich Siemens nach Alternativen umsehen. Was spricht eigentlich dagegen, Letztere an den Standorten anzusiedeln, die vom geplanten Personalabbau betroffen sein sollen?

Unsere Gesellschaft steht ohnehin vor großen Herausforderungen, weil zum Beispiel die Digitalisierung viele Arbeitsplätze zerstören wird. Um das aufzufangen, sind enorme Anstrengungen notwendig, insbesondere im Bildungsbereich. Schade, dass die Politik hier viel zu wenig tut. Deutschland ist ein Land, in dem die Chancengleichheit gerade im Bildungsbereich noch sehr zu wünschen übrig lässt. Entscheidend für den Bildungserfolg ist hierzulande die soziale Herkunft, doch eigentlich sollte die Begabung den Ausschlag geben, nicht der Geldbeutel der Eltern. Bildung ist der zentrale Pfeiler jeder modernen Gesellschaft. Bei den Jamaika-Sondierungsgesprächen waren sich die Beteiligten einig darüber, mehr in Bildung zu investieren. CDU, CSU, FDP und Grüne hatten sich freilich auch bereits darauf verständigt, die Klimaschutzziele einzuhalten. Nur blieb offen, wie das konkret zu erfolgen hat. Plan gut, Umsetzung mangelhaft. Daran krankt es immer: Viel Getöse und nichts dahinter. Vermutlich wird sich das mit dieser Kanzlerin auch nicht mehr ändern. Und schon gar nicht mit der GroKo.