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10. Oktober 2017, von Michael Schöfer
TUI-Kataloge


Nachdem der FDP-Vorsitzende Christian Lindner mit Parfüm-Werbung durchaus erfolgreich Wahlkampf gemacht hat, will er nun offenbar die Koalitionsverhandlungen wie ein Reisebüro-Kaufmann bestreiten. Länder, "aus denen wir TUI-Kataloge für den Urlaub bekommen", seien für ihn sichere Herkunftsländer, sagte er mit Blick auf die Maghreb-Staaten (Tunesien, Algerien, Marokko).

Eine kurze Online-Recherche beim Reisekonzern förderte zutage: Es gibt u.a. einen TUI-Katalog für die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Thailand, Myanmar, Vietnam, Kambodscha, Laos, Malaysia, Kuba und China. Alles bedeutsame Befürworter von Demokratie und Menschenrechten. Richtet man sich strikt nach den TUI-Katalogen (sind Alltours und Thomas Cook diesbezüglich irrelevant?), wäre Simbabwe ebenfalls als sicheres Herkunftsland einzustufen. Kennt Robert Mugabe die FDP? Vermutlich nicht, aber das könnte sich ändern. Der 93-jährige Autokrat wird sein Verhältnis zu den Liberalen bestimmt mit Ricks berühmten Schlusssatz aus dem Flüchtlingsfilm (!!!) "Casablanca" einleiten: "Christian, ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft." Sogar für Ägypten bekommt man einen TUI-Katalog angeboten. Wer darin allerdings das Wort "Folter" sucht, wird im Länderbericht von Amnesty International schneller fündig. Im Gegensatz zu TUI bietet die Menschenrechtsorganisation jedoch keine Pauschalreisen an. AI hat nichts mit "All Inclusive" zu tun.

Für Venezuela gibt es keinen TUI-Katalog. Caracas, das die höchste Mordrate der Welt aufweist, ist offenbar selbst für zivilisationsmüde westliche Touristen wenig empfehlenswert. Auch Nordkorea, der Südsudan, der Kongo, die Zentralafrikanische Republik sowie ganz Westafrika (Burkina Faso, Gambia, Liberia, Nigeria, Sierra Leone, Togo etc.) haben in Ermangelung eines TUI-Katalogs kaum Chancen, als sichere Herkunftsländer registriert zu werden. Reisebüro-Kaufmann Lindner kann daher in den Koalitionsverhandlungen glaubwürdig darauf verweisen, das Asylrecht weiterhin hochzuhalten.

Jamaika ist übrigens in den TUI-Katalogen enthalten. Dafür, dass die Jamaika-Gespräche friedlich verlaufen, gibt es dennoch keine Garantie.